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Geliebter Boss

Geliebter Boss

Titel: Geliebter Boss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Hanns Roesler
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anderen aufgehört haben, weiterzuspielen und auch von den fremden Tischen die Zuschauer herübergekommen sind und alle hinter ihr den Atem anhielten, als die Kugel rollte und auf die Achtzehn fiel.
    Birke hebt den Schal, der prall gefüllt mit den Jetons ist und vor ihr auf dem Tisch liegt. Der Boß hat ihr den Schal von den Schultern genommen, in der Aufregung dieser Minute, als das Geld vor ihr lag, und hat die 1200 Jetons in ihn hineingebeutelt und zugeknüpft, genauer gesagt, die 1296 Jetons, aber es sind nicht mehr so viele, ein paar sind heruntergefallen, einige hat man als Trinkgeld verteilt, den Croupiers, den Saaldienern, ein paar hat man auf dem Platz für den Nachfolger zurückgelassen, Glücksgeld, Glück, das am gewonnenen Geld haftet.
    »Wieviel Stück sind in dem Schal?« fragt Birke aufgeregt.
    »36 mal 36.«
    »Was ist so eine Marke wert?«
    »Ein Jeton«, verbessert Zanders.
    »Was ist so ein Jeton wert, mit dem ich gespielt habe? Eine Mark ungefähr, wie du sagtest?«
    »Das habe ich gesagt, um dir Mut zu machen.«
    »Stimmt es nicht? Weniger?«
    »Etwas mehr.«
    »Etwa fünf Mark?«
    Jetzt erst durchfährt Birke nachträglich das Entsetzen, fünf Mark auf Rot oder gar mit verringerter Chance auf ein Dutzend gesetzt zu haben, manchmal gleich drei Jetons auf einmal.
    Sie kommt sich vor wie der Reiter beim Ritt über den Bodensee.
    »Stimmt es? Fünf Mark?« wiederholt Birke.
    »Hundert Mark!« sagt Zanders.
    Birke schnappt nach Luft, öffnet den Mund, schließt ihn wieder.
    »Ich hatte 2000 Mark in Spielgeld umgetauscht.«
    »Mir hast du gesagt: zwanzig.«
    »Hättest du sonst gespielt?«
    »Nie!«
    »Ich wußte, daß wir gewinnen werden.«
    Birke ist einer Ohnmacht nahe.
    Sie denkt nicht an den Gewinn, sie denkt an den Einsatz.
    »Mir ist nicht gut«, sagt sie leise.
    »Das gibt sich wieder.«
    »Jetzt muß ich erst einmal etwas trinken, Boß«, sagt sie und leert ihr Glas in einem Zuge.
    Auch Zanders greift zum Glas.
    »Auf dein Wohl, Birke!«
    Birke erschrickt, das leere Glas in der Hand.
    »Verzeih!« sagt sie. »Ich bin ganz durcheinander und habe ohne dich getrunken. Unseren ersten Champagner! Ich trinke noch einmal mit.«
    Sie hält ihm ihr Glas hin.
    »Bitte! Schenk mir ein!«
    Er tut es. Lacht ihr zu.
    »Auf dein Wohl, Glückskind!«
    Sie hebt das Glas zum Mund. Hält plötzlich inne.
    Ganz blaß wird sie.
    »Dann sind doch diese Jetons hier — alle diese Jetons — da ist doch dann jeder hundert Mark wert?«
    »Natürlich.«
    »Wieviel ist es?«
    »Mit dem Geld, das wir vorher gewonnen hatten, fünfzehnhundert.«
    »Mark?«
    »Nein, Stück. 1500 Jetons zu 100 neuen Francs, das sind ungefähr 120 000 Mark.«
    »Mein Gott! Ich werde verrückt!«
    Sie faßt es nicht. Als sich ihre Gedanken ordnen und sie über alles nachdenkt, kommt langsam die Freude über sie. Das Bewußtsein, so viel Geld gewonnen zu haben — das Gefühl, wieder frei zu sein, frei von der Angst.
    Sie reißt den Schal auseinander. Wühlt in den roten Jetons.
    »Peter! Peter! Peter! Geliebter Boß!«
    »Ein Vermögen!«
    »Jetzt können wir der Bank das Geld zurückgeben!«
    »Wie bitte?«
    »Das Geld zurückgeben! Uns wieder ehrlich machen!“
    »Etwas anderes fällt dir nicht ein?«
    »Aber das ist doch die Hauptsache! Wir können zusammenbleiben! Wir können weiterleben! Du mußt nicht ins Zuchthaus! Ich muß nicht das Haus verkaufen! Ach, Peter, ist das Leben auf einmal wieder schön!«
    Sie jubelt und klatscht in die Hände, springt auf, setzt sich wieder, springt auf, läuft durchs Zimmer, leert ihr Glas und fällt Zanders um den Hals.
    »Küß mich, geliebter Boß!«
    Als er es tut, sagt sie:
    »Jetzt schmecken deine Küsse viel süßer!«
    »Das macht der Champagner.«
    »Nein. Das gute Gewissen!«
    »Geliebte Bürgerin!«
    In der Nacht, in Nizza, halten sie Kriegsrat. Sie denken nicht ans Schlafengehen. Das Hotel Negresco hat ihnen einen Korb Champagner, einen Korb Veuve Cliquot , aufs Zimmer gestellt. Die Riviera ist ein Dorf. Große Gewinne sprechen sich in Windeseile herum. Das internationale Hotel nimmt keine Notiz davon außer dem üblichen Korb Cliquot , der auf der Weinkarte unter den teuersten Champagnersorten Frankreichs zu finden ist.
    Das ist hier Tradition.
    »Heute nacht werde ich zum erstenmal mit gutem Gewissen schlafen. Wir bezahlen das Bett vom eigenen Geld.«
    Aber Birke kommt nicht zum Schlafen.
    Der Champagner... die Aufregung...
    Immer wieder kommt sie in Zanders’ Zimmer gelaufen.
    Sie

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