Geliebter Boss
achtet nicht darauf, daß sie im Nachthemd ist. Es kommt ihr gar nicht zum Bewußtsein.
»Ich habe Durst, Boß!«
»Trink nicht mehr!«
»Champagner ist etwas Herrliches! Ich werde im Leben überhaupt nur noch französischen Champagner trinken!«
»Dafür reicht kein Geld der Welt.“
»Wir spielen weiter. Oder glaubst du, es kann einmal schiefgehen?«
»Komm her! Laß dich küssen!«
»Sei vorsichtig, Boß! Du weißt, daß ich einen kleinen Schwips habe!«
»In der Hochzeitsnacht hat jede Braut einen kleinen Schwips.«
»Aber es ist nicht unsere Hochzeitsnacht! Du hast gesagt, du heiratest nie!«
»Glückliche Zikaden, deren Weibchen stumm sind!«
»Oder bist du jetzt anderen Sinnes?«
»Geschwätz! Geschwätz!«
»Du mußt es mir jetzt sagen, Boß!«
»Der Boß verweigert die Auskunft.«
»Das ist kein Nein!«
Sie trommelt mit beiden Fäusten auf seine Brust.
»Schuft! Scheusal!«
Sie sucht nach einem dritten Wort, findet es aber nicht.
Wiederholt champagnerselig:
»Schuft! Scheusal!«
Und noch ein drittes Mal, jetzt ganz leise:
»Schuft! Scheusal!«
Dann hebt sie ihre Arme weit zurück, und der Gürtel an ihrem Nachthemd zerspringt.
Als Zanders am nächsten Morgen erwacht, ist es neun Uhr. Der Platz neben ihm ist leer.
Er richtet sich überrascht auf, dann aber läßt er sich beruhigt wieder in die Kissen zurücksinken.
Aus dem Badezimmer ertönt das Rauschen der Dusche.
»Birke!« ruft er. Und noch einmal: »Birke!«
Aber Birke hört ihn nicht unter der Dusche.
Zanders lächelt und zündet sich eine Zigarette an. Dann zieht er unter seinem Kopfkissen den seidenen Gürtel von Birkes Nachthemd hervor. Als er heute nacht den Namen Birke darauf gestickt fand, hatte er überrascht gefragt:
»Wer hat das eingestickt?«
»Ich selbst. Damit du den Namen nicht vergißt.«
»Wann hast du die Zeit dafür gefunden? Du warst doch nie allein.«
»Unsere Nacht in Venedig. Als du heraufkamst, schlief ich noch nicht. Als du dann nicht zu mir hereinkamst und ich dich im Badezimmer hörte, stickte ich den Namen in meinen Gürtel. Denn in dieser Minute wußte ich, daß du mich eines Tages danach fragen würdest, wie die fünf Buchstaben auf meinen Gürtel kämen.«
»Wußtest du auch, daß es so bald sein würde?«
»Ja, Boß.«
Die Dusche im Bad läuft immer noch.
»Birke!« ruft Zanders.
Wieder keine Antwort. Er denkt nach. Wie war das doch gestern nacht noch? Hatten sie sich zum Schluß gestritten? Hatte Birke ihm nicht Vorwürfe gemacht?
»Versteh mich, Boß! Ich war bereit, mit dir durch dick und dünn zu gehen. Ich war sogar bereit, mein kleines Haus zu verkaufen, um den Schaden wiedergutzumachen. Aber jetzt, nachdem uns der Himmel das Geld geschenkt hat, denke ich nicht mehr daran. Wir schicken das Geld der Bank zurück.«
»Daran denke ich wieder nicht. Jetzt fangen wir erst einmal an zu leben. Wir werden uns einen neuen Wagen kaufen, große Reisen machen, um die Welt fahren —«
»Findest du dieses Leben so erstrebenswert?«
»Vor Tisch las man’s anders.«
»Ich hatte noch nicht an der Tafel gesessen, wo die Lebensfreuden aufgetischt werden. Ich wußte noch nicht, wie Champagner schmeckt, wie das Meer aussieht, wie man in großen Hotels wohnt. Ich wußte auch nichts von teuren Kleidern und Handtaschen, ich hatte nicht einmal einen Sonnenschirm. Aber jetzt weiß ich, was die Dinge bedeuten: wenn man müde ist, schläft man in einer kleinen Kammer genauso gut, wenn man satt ist, bleibt es gleichgültig, ob man von Spaghetti mit Tomatensoße satt geworden ist oder von Rehrücken und Langusten. Das hat doch mit dem wirklichen Leben überhaupt nichts zu tun.«
Sie waren richtig ins Streiten gekommen. Dabei hatte Zanders sich über ihre Ansichten eher gefreut, war glücklich über die Dinge, die sie sagte. Aber er gab nicht nach, sie zu necken und ihren Zorn immer wieder zu entfachen.
Wenn man verliebt ist, bedeutet auch der Zorn, der aus der Geliebten Augen leuchtet, ein Glück für den Verliebten. Darum hatte er nicht nachgegeben und hatte sich geweigert, das Geld der Bank zurückzuschicken.
»Dafür haben wir es nicht gewonnen!«
»Doch. Nur dafür!«
»Sprich keinen Unsinn!«
»Schrei mich nicht an!«
»Den Ton zwischen uns bestimme ich!«
»Ich bin keine deiner kleinen Liebschaften!«
»Wollte Gott, du wärst eine meiner kleinen Liebschaften! Die haben mehr Verstand im kleinen Finger als du in deinem ganzen dummen Kopf! Ich habe dir erst die Tür zum großen Leben
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