Geliebter der Nacht
es, dass du in andere Clubs gehst, dann erzähl’s ihm eben nicht.« Für Mai war immer alles ganz einfach. »Außerdem geht es hier nicht nur um Spaß. Es ist mein Job. Ich schreibe an einer Geschichte über die berühmten Vampire, die hinter den Nachtclubs stehen, und wenn ich als einzigen Club ›Ricco’s‹ besuche, wird die Story ein bisschen einseitig.« Sie machte eine kurze Pause. »Ist schon okay, wenn du nicht mitwillst. Dann gehe ich allein hin.«
Lexi verdrehte die Augen. Auch wenn Mai den Dickkopf einer Werwölfin besaß, hatte sie doch die Statur einer Elfe, und ihre Magie war kaum stärker. Sollte sie also in Schwierigkeiten geraten, würde Lexi es sich nie verzeihen, ihre beste Freundin allein in den Club geschickt zu haben.
»Na gut«, sagte sie, »ich bin schließlich nicht Riccos Eigentum. Und eigentlich habe ich nichts dagegen, mir einmal einen neuen Club anzusehen.«
»Prima! Das wird bestimmt witzig«, versprach Mai. »Und, Lexi, versuch bitte, dich ein bisschen sexy aufzubrezeln!« Lexi wollte lauthals protestieren, doch Mai kam ihr zuvor: »Nimm’s mir nicht krumm, aber in diesen schwarzen Lederklamotten jagst du den meisten Männern Angst ein.«
»Okay, ich werde sehen, was ich tun kann.« Im Geist ging Lexi ihren Kleiderschrank durch und hoffte, dass sie etwas besaß, das Mai zusagte.
»Bis später dann«, verabschiedete Mai sich.
Lexi legte auf und wünschte, sie würden doch in Riccos Club gehen, denn ihr Triebhaushalt geriet allmählich außer Kontrolle. Ricco war der Anführer der »Bloods«, der größten Vampirgang in der Stadt, und außerdem der gefragteste Mann in den Hinterzimmern seines Nachtclubs.
Normalerweise hätten sie beide nie zusammenkommen dürfen. Lexi war eine Kreatur der Lebensmagie, Ricco eine der Todesmagie. Andererseits war an ihrer Beziehung so oder so nichts »normal«. An ihrem ersten Abend, vor langer Zeit, war Lexi verzweifelt gewesen, als sie in den Club kam, und Ricco bestand darauf, ihr Partner zu sein. Er war grob, aber das scherte Lexi seinerzeit überhaupt nicht, und Ricco zeigte ihr, dass er problemlos mit dem unstillbaren Appetit einer Gestaltwandlerin mithalten konnte.
Im Gegenzug verlangte er nichts als ein bisschen Blut. Und unter den gegebenen Umständen überwogen die Vorteile bei weitem das leichte Unbehagen, welches die Nähe zu einem todesmagischen Wesen ihr verursachte.
Zudem mochte sie Ricco, auch wenn sie ihn nicht liebte. Und sosehr sie sich dafür hasste, wie sie ihn ausnutzte, blieb ihr meist einfach keine andere Wahl. Noch dazu schien Ricco kein Problem mit der Situation zu haben. Und im Laufe der Zeit hatten sie eine Art lose Beziehung aufgebaut, auf die sie heute Abend sehr gern zurückgegriffen hätte.
Als Mai zwei Stunden später eintraf, hatte Lexi einen ganzen Berg Klamotten auf ihrem Bett, die sämtlichst nicht in Frage kamen, und stand splitternackt und ratlos vor ihrem fast leeren Kleiderschrank. Hatte denn noch nie jemand einen netten Zauber erfunden, mit dem man straßentaugliche Leder-Outfits in Ballgala verwandelte?
»Wie ich sehe, bist du bereit zum Aufbruch«, scherzte ihre Freundin, die sich selbst in die Wohnung gelassen hatte und nun ins Schlafzimmer kam. In ihrem smaragdgrünen, schmal geschnittenen Trägerkleid sah Mai wie immer umwerfend aus.
»Ich komme nicht mit«, verkündete Lexi frustriert.
»Doch, tust du«, widersprach Mai und stellte eine Einkaufstüte aufs Bett, die Lexi vorher gar nicht bemerkt hatte. Dann griff Mai hinein und angelte etwas hervor, das wie ein eins fünfzig langer Lycra-Schlauch in leuchtendem Saphirblau aussah. »Okay, Aschenputtel, und nun sieh mal, was deine Elfenpatin dir mitgebracht hat.«
Lexi erkannte sofort, dass es genau das Richtige war, und zog das Kleid ohne zu zögern an. Dann zupfte sie es vor dem Spiegel zurecht, bis es ihre Figur optimal betonte. Es war so eng, dass es nicht einmal die kleinste Schwachstelle verborgen hätte – und Lexi sah darin großartig aus.
»Und?«, fragte Mai.
Lexi lächelte. »Es ist super. Danke!«
»Schön, dann schnapp dir ein Paar Schuhe und lass uns losziehen. Der Vollmond naht, also dürften sämtliche läufigen Hündinnen der Stadt unterwegs sein – was übrigens nicht gegen dich geht. Aber ich will heute Nacht auf keinen Fall abstinent enden.«
Lexi zog ihre einzigen Highheels an, schwarze natürlich, griff nach ihrer Handtasche und verließ mit Mai die Wohnung.
Zwanzig Minuten danach traten sie durch die
Weitere Kostenlose Bücher