Geliebter Fremder
denken, dass ich seinen Platz eingenommen habe.«
»Nein«, erwiderte sie und legte ihm die Finger auf die Lippen. Kein Geist aus der Vergangenheit sollte sie mehr quälen. »Wahrscheinlich werde ich manchmal an ihn denken … aber ich habe ihn nie wirklich gekannt. Er wollte nicht mit mir leben und ich nicht mit ihm.«
Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. »Das ist das, was ich immer gewollt habe«, murmelte er.
Lara legte ihre Hand über sein Herz. »Wenn ich dich ansehe«, sagte sie, »sehe ich nur dich.« Sie schmiegte sich enger an ihn. »Ich kenne dich«, fügte sie hinzu.
Er lachte unwillig auf und drehte sich zur Seite, um sie anzublicken. Er sah so aus, als wolle er ihr widersprechen, aber als er sie anblickte, bekam sein Gesicht einen zärtlichen Ausdruck. »Vielleicht«, sagte er und zog sie fest an sich.
Epilog
Nach ihrer Besichtigung der gerade fertig gestellten Umbauten am Waisenhaus war Lara äußerst zufrieden. Jetzt würden sie endlich die neuen Kinder aufnehmen, allerdings nur zehn anstatt der erwarteten zwölf, weil zwei Familien in Market Hill ihre zeitweiligen Gäste so lieb gewonnen hatten, dass sie beschlossen hatten, sie zu behalten. Es würde sicher nicht schwer sein, die leerstehenden Betten im Waisenhaus auch noch zu füllen, dachte Lara. Es gab viel zu viele Kinder, die dringend einen Ort brauchten, an dem sie anständig aufwachsen konnten.
Als sie aus der Kutsche stieg und die Eingangshalle von Hawksworth Hall betrat, war sie so in Gedanken versunken, dass sie den Mann, der auf sie wartete, kaum bemerkte.
»Lady Hawksworth … verzeihen Sie mir, Mylady …«
Die kultivierte Stimme eines Gentlemans wiederholte ihren Namen, bis Lara stehen blieb und sich mit fragendem Lächeln umdrehte.
Der Besucher war Lord Tufton, der schüchterne, freundliche Mann, der Rachel vor ihrer Ehe mit Lonsdale den Hof gemacht hatte. Er war eher intellektuell als sportlich und er besaß ein freundliches, ernsthaftes Wesen, das Lara immer gemocht hatte. Sie hatte kürzlich gehört, dass Tufton durch den Tod seines Onkels zu einem unerwarteten Vermögen gekommen war. Dadurch wurde er wahrscheinlich auf einmal zur begehrten Partie für viele ehrgeizige junge Frauen.
»Lord Tufton!«, rief Lara mit aufrichtiger Freude aus. »Wie nett, Sie zu sehen!«
Sie tauschten liebenswürdige Floskeln und Tufton wies verlegen auf einen prächtigen Rosenstrauß, der auf dem Tisch in der Eingangshalle stand. »Ich habe Ihnen diese Rosen mitgebracht, um Ihnen eine Freude zu machen«, bemerkte er.
»Sie sind wunderschön«, entgegnete Lara warm, wobei sie ein Lächeln unterdrückte. In Wirklichkeit waren die Blumen sicher für ihre Schwester bestimmt. Es wäre jedoch nicht schicklich gewesen, wenn Tufton sie nur Rachel mitgebracht hätte, da sie in Trauer war. »Danke. Wir werden uns alle daran erfreuen – vor allem meine Schwester.
Sie liebt Rosen sehr, wissen Sie.«
»Ja, ich …« Er räusperte sich nervös. »Darf ich Sie nach dem Befinden Ihrer Schwester fragen, Mylady?«
»Es geht ihr recht gut«, versicherte Lara ihm. »Obwohl … sie ist in letzter Zeit sehr still und niedergeschlagen.«
»Das ist nur verständlich«, erwiderte er mitfühlend, »nach der Tragödie, die sie erlebt hat.«
Lara schenkte ihm ein nachdenkliches Lächeln. Rachel hatte in den zwei Monaten seit Lonsdales Tod zwar keine Besucher empfangen, aber irgendwie war Lara sich sicher, dass Tufton ihr willkommen sein würde. »Lord Tufton … meine Schwester ist um diese Tageszeit immer draußen im Garten, um spazieren zu gehen. Ich bin sicher, sie würde sich freuen, dabei in Begleitung zu sein.«
Er reagierte eifrig und zögernd zugleich auf diesen Vorschlag. »Oh, ich möchte sie nicht belästigen … wenn sie lieber allein sein möchte …«
»Kommen Sie mit«, sagte Lara und zog ihn einfach durch die Halle zu den Flügeltüren, die zum Garten hinausgingen. Durch die Hecken sah sie Rachels schwarz gefärbte Haube. »Da ist sie«, sagte Lara triumphierend.
»Gehen Sie einfach zu ihr und leisten Sie ihr Gesellschaft, Lord Tufton.«
»Aber ich weiß nicht, ob …«
»Meine Schwester wird entzückt sein, das versichere ich Ihnen.« Lara öffnete die Tür und drängte ihn hinaus. Sie blickte ihm nach, als er an den Blumenbeeten vorbei auf Rachel zuging.
»Mama!« Beim Klang von Johnnys Stimme drehte Lara sich lächelnd um. Der Junge trug winzige Breeches und ein blaues Jackett, weil er zur Reitstunde ging.
»Liebling,
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