Geliebter Lord
Begegnung? Oder seit er ihr eine Welt gezeigt hatte, die sie bis dahin nicht kannte – eine, in der Leidenschaft und Gedankenfreiheit herrschten, in der man tun konnte, was immer man wollte?
Hamish sollte sie nicht heiraten, weil er sich um ihrer beider unsterbliche Seelen sorgte, sondern weil er sich nichts Schöneres vorstellen konnte und von allen Frauen auf der Welt mit ihr am glücklichsten sein würde.
»In dein früheres Leben kannst du nicht zurückkehren, Mary«, sagte er sanft. »Du kannst nicht hierbleiben.«
Sie nickte.
»Lasst uns bedenken, zu welchem Zweck die Ehe eingeführt wurde«, begann Matthew Marshall feierlich. »Zunächst einmal zur Fortpflanzung. Zweitens um Menschen, denen es an Beherrschung mangelt, vor Zügellosigkeit zu bewahren.« Er bedachte das vor ihm stehende Paar mit einem beredten Blick, doch sein stummer Tadel machte Mary nicht das Geringste aus.
»Zum dritten, auf dass einer dem anderen Gesellschaft, Hilfe und Trost sein möge, an guten wie an schlechten Tagen.« Sein Gesichtsausdruck zeigte, dass ihm gerade bewusst wurde, dass das Brautpaar ob seiner Flucht die Ehe mit »schlechten Tagen« beginnen würde.
Mary warf verstohlen einen Blick zur Seite und sah Hamish lächeln. Er ertappte sie und blinzelte ihr zu.
Der Salon, in dem die Trauung vollzogen wurde, war ihr seit vielen Jahren vertraut. Sie wusste nicht, wie oft sie in diesem behaglichen Raum mit den Grants geplaudert hatte, aber sie wusste, dass keiner ihrer Besuche so bedeutungsschwer gewesen war wie der heutige.
Ihr Blick fiel in den Spiegel über dem Sideboard. Elspeth hatte ihr ein Kleid von sich gegeben und sie in wenigen Minuten für die Zeremonie zurechtgemacht. Mary war eine auffallend blasse Braut, aber das spiegelte ihre Müdigkeit und nicht ihre seelische Verfassung. Hamish stand ungeduldig neben ihr. Sein Kinn deutete auf Unbeugsamkeit hin, doch die, sagte Mary sich, konnte auch bedeuten, dass Hamish selbst im größten Tumult aufrecht bliebe.
Nachdem sie die Gelöbnisse gesprochen hatten, zog Hamish Mary zu sich heran. Sie schlang die Arme um ihn, und er neigte den Kopf und gab ihr angesichts der Hochzeitsgesellschaft einen züchtigen Kuss.
»Später«, flüsterte er ihr ins Ohr, rückte von ihr ab und lächelte, als er sie erröten sah.
Der Geistliche gab ihnen seinen Segen, und dann nahmen sie die Glückwünsche der Trauzeugen entgegen. Mary wurde zuerst von Elspeth umarmt und dann von Mrs. Grant, die Mary in diesem Moment als Stellvertreterin ihrer längst verstorbenen Mutter empfand. Als Nächster drückte Jack sie, und dann küsste Mr. Grant sie auf die Wange.
»Ich werde Euch nie vergelten können, was Ihr für uns getan habt, Mary. Werdet glücklich.«
Sie nickte, und erst in diesem Augenblick begriff sie wirklich, dass sie nie mehr nach Inverness zurückkehren könnte. Sie würde den Ness nicht wiedersehen, Gordons Laden und hundert andere Dinge, die ihr lieb waren, musste sich von allem, was sie kannte, verabschieden.
Sie war jetzt keine Witwe mehr, sondern wieder eine Ehefrau. Mary schaute Hamish an, und der Blick, den sie wechselten, sagte mehr aus als ihre Gelöbnisse.
Zu guter Letzt wandte Mary sich Brendan zu. Sie hatte auf dem Weg nach Castle Gloom lange Gespräche mit ihm geführt und war nun durch Heirat mit ihm verwandt, aber er kam ihr wie ein Fremder vor. Sie wusste nicht, wie er zu ihr stand, was er von dieser Heirat hielt.
»Willkommen in der Familie«, sagte er in ihre Gedanken hinein und breitete die Arme aus.
Sie ließ sich umschließen und spürte ihre Kehle eng werden. Nach so vielen Tagen der Beherrschung war sie jetzt unentwegt den Tränen nahe.
»Wir sollten aufbrechen«, mahnte Hamish. Mary nickte. Sie mussten weg sein, wenn Sir John und seine Männer von ihrer Verfolgungsjagd zurückkehrten. Jede Minute, die sie länger verweilten, vergrößerte die Gefahr für ihre Freunde.
Gefolgt von den Grants, Mr. Marshall und Brendan, verließen sie das Haus durch die Hintertür, mit nichts im Gepäck als dem, was Elspeth und Mrs. Grant Mary mitgegeben hatten. Sie konnte nicht wagen, etwas aus dem Haus zu holen, das elf Jahre ihr Heim gewesen war.
»Werden wir uns wiedersehen?«, fragte Elspeth.
Mary wandte sich ihrer Freundin zu, während Mr. Grant Hamish ans Heck der Kutsche rief. »Ich weiß es nicht«, antwortete sie ehrlich, »aber ich hoffe es.« Nach kurzem Zögern richtete sie das Wort an Mrs. Grant. »Ihr habt schon so viel für mich getan, aber
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