Geliebter Lord
Gesicht.
»Was ist Euch zugestoßen?«
Seine Züge waren ausdruckslos, wie sie es sonst nur von sehr alten oder todkranken Menschen kannte. Er umschloss ihr Handgelenk und zog ihre Hand mit sanftem Nachdruck weg.
»Ich brauche keine Heilerin, Mrs. Gilly. Brendan hat seine Kompetenzen überschritten. Ich bedaure die Zeitverschwendung und die Unannehmlichkeiten, die Euch dadurch entstanden sind.«
Mary hätte sich leicht befreien können, doch ob seiner ablehnenden Haltung blieb sie, wo sie war.
»Wollt Ihr mir nicht erzählen, was Euch zugestoßen ist?«
Er antwortete nicht.
Sie hob ihre freie Hand und legte sie an seine Brust. Zu ihrer Überraschung zuckte er zusammen, gab ihre Hand frei und wich einen Schritt zurück.
Er wollte nicht, dass sie ihn berührte. Interessant. Bevor sie ihre Patienten behandelte, brachte sie stets so viel wie möglich über deren Lebensumstände und Allgemeinzustand in Erfahrung.
Hamish MacRae wäre erstaunt gewesen, wenn er gewusst hätte, was er ihr bereits verraten hatte.
»Ich vermute, Ihr seid noch nicht so gesund, wie Ihr mich glauben machen wollt, Mr. MacRae. Und ich glaube trotz Eurer gegenteiligen Äußerung, dass Ihr meiner Behandlung sehr wohl bedürft.«
»Ich habe seit fast zwei Jahren keine Frau gehabt, Madam – das ist das einzige Bedürfnis, das ich habe.«
Er wollte sie vor den Kopf stoßen, doch Mary war entschlossen, nicht aufzugeben.
»Ich habe schon viele männliche Patienten behandelt«, sagte sie. Dass es sich dabei hauptsächlich um Kinder und Greise handelte und keiner der anderen ihm auch nur im Entferntesten ähnelte, brauchte er nicht zu wissen. »Ich kenne das männliche Verhalten und weiß, wie der männliche Körper funktioniert«, setzte sie kühn hinzu. »Ihr könnt mich nicht schockieren – weder durch Worte noch durch Taten. Wollt Ihr nicht auf dieses Spiel verzichten?«
»Es lag nicht in meiner Absicht, Euch zu verärgern, Mrs. Gilly«, erwiderte er. »Ich wollte Euch nur fairerweise warnen.«
»Die meisten Männer in Eurem Zustand hätten anderes im Sinn.«
Sein einer Mundwinkel hob sich zu einem sardonischen Lächeln. »In meinem Zustand?«
Er trat noch einen Schritt zurück, und Mary fiel auf, dass sein einer Arm schlaff herunterhing.
»Was ist mit Eurem Arm, Mr. MacRae?«
»Kehrt nach Inverness zurück.« Diesmal klang seine Stimme, als könnte sie Glas schneiden.
»Euer Bruder hat mich dafür bezahlt, Euch zu behandeln, und das werde ich tun.«
»Ich werde Euch dafür bezahlen, dass Ihr dahin zurückkehrt, woher Ihr gekommen seid.«
Sie lächelte ihn freundlich an. »Das kann ich nicht.«
»Gott schütze mich vor aufdringlichen Frauen.«
Im ersten Moment wusste sie nicht, wie sie darauf reagieren sollte. Es kam schon vor, dass sie nicht von der ganzen Familie eines Patienten willkommen geheißen wurde, doch in den meisten Fällen wünschte zumindest der
Patient,
sie zu sehen.
»Ihr braucht mich«, insistierte sie. »Je eher Ihr der Behandlung zustimmt, umso eher gehe ich wieder.«
»Ihr geht
morgen früh.«
Damit ließ er sie stehen. Aber so leicht ließ sie sich nicht abschütteln.
Entschlossenen Schrittes folgte sie ihm zur Treppe.
»Lasst mich wenigstens Euren Arm ansehen.«
Er drehte sich um und starrte sie unwirsch an. »Mein Bruder sagt, Ihr seid eine Wunderheilerin. Beabsichtigt Ihr, bei mir ein Wunder zu wirken, Engel?«
»Nennt mich nicht bei diesem albernen Namen«, sagte sie ärgerlich. »Ich besitze weder das Wesen noch die Heiligkeit eines Himmelsbewohners. Ich bin nur allzu menschlich.«
»Aber Ihr leugnet nicht, wundertätige Hände zu besitzen.«
»Im Gegenteil«, gab sie irritiert zurück. »Ich bin eine Schülerin Matthew Marshalls und habe alles gelesen, was er über Medizin geschrieben hat. Falls meiner Arbeit irgendetwas Wunderbares anhaftet, dann aufgrund meiner Ausbildung dank seiner Erkenntnisse.«
»Ein um Mitternacht abgeschlagener Eichhörnchenschweif, Rattenschnurrhaare mit drei Prisen Pfeffer von den Gewürzinseln?«
»Sagt Ihr eine Rezeptur auf?«, fragte sie stirnrunzelnd.
»Nein, ich erfinde eine. Etwas weniger wunderbar, aber passender für Hexen.«
Er strapazierte in der Tat ihre Geduld.
»Ich bin auch keine Hexe, Mr. MacRae. Meine Mittel beinhalten keine seltsamen Mixturen. Ich glaube, dass, auf Reinlichkeit zu achten, meine Patienten bedeutend besser vor Krankheiten schützt als ein Trank aus gemörserter Kröte.«
Sein halbes Lächeln blieb.
»Ich empfehle meinen
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