Geliebter Lord
gesprochen?«
»Nein. Ich wollte ihn nicht verärgern. Krankheit war kein Thema für Mr. Gilly – er hing der gleichen Philosophie an wie seine Frau, dass man über Unangenehmes möglichst nicht reden soll.«
»Aber er ließ sich trotz der Arznei des Arztes weiter von seiner Frau behandeln?«
»Ja. Wir saßen nach dem Abendessen immer noch eine Weile im Salon, und dann gab Mrs. Gilly ihm den Trank, den sie für ihn gemischt hatte.«
»Und er trank ihn bereitwillig?«
Charles zögerte. Als Sir John ihn mit einem Stirnrunzeln bedachte, fuhr er stockend fort: »Manchmal wollte er ihn nicht trinken, aber sie bestand darauf.«
Hinter Hamish wurde Gemurmel laut, das sich teils zu verständlichen Äußerungen verdeutlichte. Die Stimmung begann, sich gegen Mary zu wenden. Sie saß ohne eine erkennbare Regung da. Brendan und Marshall sahen ihn besorgt an, aber er rührte sich nicht.
»In welcher Form tat sie das?«
Charles schaute zu Mary und gleich wieder weg, als widerstrebte es ihm, sie zu verraten, aber es bliebe ihm nichts anderes übrig.
Mary hätte aus Marmor gemeißelt sein können.
»Sie flehte ihn an, die Arznei zu trinken, sagte, es wäre zu seinem Besten und sie würde die ganze Nacht kein Auge zutun, wenn er sich weigerte. Manchmal weinte sie auch.«
Mary hob den Blick und schaute Charles an, eindringlich, aber nicht vorwurfsvoll. Doch Hamish hatte den Eindruck, dass der junge Mann log.
»Habt Ihr je miterlebt, dass Mr. Gilly nach der Einnahme dieses Tranks übel wurde?«
Charles senkte den Kopf und murmelte etwas, aber Hamish nahm ihm die Rolle des nur widerwillig gegen Mary aussagenden Zeugen keine Sekunde ab.
»Ich kann Euch nicht hören, Mr. Talbot.«
Charles hob den Kopf und schaute dem Sheriff geradewegs ins Gesicht. »Ja«, antwortete er so laut, dass man es bis in den letzten Winkel des Gerichtssaals hören konnte. »Beinahe jedes Mal.«
Das Gemurmel schwoll an. Sir John ließ gebieterisch den Blick über das Publikum wandern, und es wurde wieder still.
»Woraus bestand der Trank, den sie ihm verabreichte?«
Charles schüttelte den Kopf. »Ich habe einmal gesehen, wie sie ihn zubereitete, die Zutaten jedoch nicht erkannt. Nach Mr. Gillys Tod stellte ich Nachforschungen an«, ein fragender Blick zum Sheriff und ein Nicken von Sir John, »und fand dies in seinem Zimmer.«
Er zog etwas in ein Taschentuch Gewickeltes aus einer Innentasche seiner Weste. Hamish spürte die Spannung im Publikum ansteigen, fühlte förmlich, wie die Leute sich vorbeugten, um besser sehen zu können. Charles schlug das Taschentuch auf und hielt dann eine kleine Phiole mit einem Milchglasstöpsel von der Art, wie Hamish sie aus Marys Arztkoffer kannte, ins Licht.
»Dies war eine der Ingredienzien der Mischung.«
»Und worum handelt es sich?«
Charles stand auf, ging zum Richtertisch und stellte das Gefäß darauf. »Wie Ihr seht, Sir, ist der Inhalt auf dem Etikett angegeben.«
Der Sheriff kniff die Augen zusammen und las laut: »Quecksilber.«
Zum ersten Mal warf Mary einen Blick in Hamishs Richtung, schaute jedoch sofort wieder weg, und ihre Miene blieb ausdruckslos.
Der Richter überraschte ihn und das Publikum damit, den Arzt noch einmal hereinzurufen.
»Wird Quecksilber als Medizin angewendet?«, fragte Sir John.
»Allerdings, aber nur unter der Aufsicht eines erfahrenen Arztes. Quecksilber ist sehr wirkungsvoll bei einigen Krankheiten, die ich jedoch in Anbetracht der gemischten Zuhörerschaft nicht nennen möchte.« Er warf einen beredten Blick zu den Frauen auf der Galerie hinauf. »Aber bei der Dosierung ist größte Vorsicht geboten.«
»Es wäre also möglich, einen Patienten mit einer zu hohen Dosis zu töten?«
»Absolut.«
Atemlose Stille trat ein, und Hunderte von Augenpaaren fixierten Mary.
Als Nächstes rief Sir John das Dienstmädchen der Gillys in den Zeugenstand. Betty näherte sich dem Stuhl, als wäre er ein Galgen. Mit beiden Händen ein Taschentuch umklammernd, setzte sie sich hin und schaute den Richter an, wobei sie ihre Lippen abwechselnd ableckte und zusammenpresste. Als er sie aufforderte, ihren Namen zu nennen, zuckte sie beim Klang seiner Stimme zusammen.
»Meine Name ist Betty Carmichael.«
»In welcher Beziehung steht Ihr zu der Angeklagten?«
Ihr Blick schoss zu Mary und kehrte dann zu Sir John zurück. »Ich arbeite als Dienstmädchen im Haus von Mrs. Gilly und dem verstorbenen Mr. Gilly.«
»Ihr habt Mr. Gilly vor seinem Tod betreut?«
»Nun, ich tue,
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