Geliebter Lord
folgenden Stunde sank das Fieber, was nicht zuletzt den kalten Umschlägen zu verdanken war.«
»Hat sie ihm Quecksilber verabreicht?«
»Nein. Sie zog es gar nicht in Betracht. Ich erinnere mich nicht, dass sie Jack
überhaupt
eine Arznei gegeben hat. Sie sagte später, dass der Körper sich selbst heilt, sobald Hindernisse daraus entfernt werden.«
Mr. Marshall nickte nachdrücklich, und Hamish dachte, dass Mary sich unter anderen Umständen über die Zustimmung ihres Idols gefreut hätte.
»Mary setzte Jack aufrecht in die Kissen und benutzte einen Riedgrashalm, um das Hindernis in seiner Kehle zu beseitigen. Sie sagte, es würde ihm das Atmen erleichtern. Gegen Morgen hatte er bereits wieder Farbe und – sie hatte recht – musste sich nicht mehr so anstrengen, um Luft zu bekommen. Tags darauf war seine Temperatur normal, und Ende der Woche war er fast wieder der Alte.«
»Ihr wollt damit sagen, dass Mrs. Gilly Euren Sohn geheilt hat?«
»Ich habe es mit eigenen Augen gesehen.«
Sir John machte eine wegwerfende Handbewegung, als messe er Mr. Grants Worten nur wenig Bedeutung zu.
Als nächste Zeugin stand Elspeth auf der Liste, und sie lächelte ihrem Vater liebevoll zu, als sie in dem grünen Ledersessel Platz nahm.
»Habt Ihr Mrs. Gilly irgendwelche Wunderheilungen vollbringen sehen?«, fragte der Richter.
»Ich betrachte sie nicht als Wunder, Sir«, antwortete Elspeth, »und Mrs. Gilly tut das ebenso wenig. Sie schöpft aus den Lehren und Erkenntnissen anderer und versucht, Hilfsbedürftigen zu helfen.«
Elspeth lächelte Mary an, und die erwiderte das Lächeln. Es war die erste sichtbare Gefühlsregung, seit sie vor Stunden den Raum betreten hatte.
»Da war zum Beispiel der kleine Sohn der Lambeths«, fuhr Elspeth fort. »Er hatte so schlimmen Keuchhusten, dass er nicht essen wollte. Der arme Kerl war fast nur noch ein Skelett, als Mary zufällig auf ein Heilmittel stieß. Und dann der alte Mr. Parkinson mit seinem schrecklichen Rheumatismus. Aber der ist letztes Jahr an Altersschwäche gestorben – er kann also nicht mehr aussagen.«
Gelächter im Publikum. Elspeth runzelte die Stirn und schaute auf ihre Hände hinunter. Brendan machte Anstalten aufzustehen, aber Hamish drückte ihn auf seinen Platz zurück.
»Du weißt, ich neige auch zu großen Gesten«, sagte er leise, »aber der Moment ist ungünstig.« Angesichts der rund um den Saal postierten Uniformierten wäre der Versuch, Mary zu entführen, ebenso unklug, wie Elspeth zu Hilfe zu eilen. Es würde die Situation nur unnötig komplizieren.
»Habt Ihr noch weitere Informationen für dieses Gericht, die der Rechtsfindung in dieser Angelegenheit dienlich sein könnten?«
»Nur, dass ich es für ausgeschlossen halte, dass Mary Gordon etwas hätte antun können. Ich würde mein Leben in ihre Hände legen.«
»Da es inzwischen zwei Uhr nachmittags ist, vertage ich die Verhandlung auf morgen. Dann hören wir die Angeklagte.« Er richtete den Blick auf Mary. »Seid Ihr bereit auszusagen, Mrs. Gilly?«
Sie stand auf. »Ja.«
Als sie hinausgeführt wurde, blickte sie in Hamishs Richtung. Für einen Moment trafen sich ihre Augen, im nächsten schaute sie weg, gab ihn frei, wies ihn regelrecht ab, doch die Verzweiflung in ihrem Ausdruck machte es ihm schwer, nicht etwas Unkluges zu tun, um Mary zu retten.
Sei tapfer.
Würde sie es hören? Gab es die Möglichkeit, ohne Worte mit ihr zu kommunizieren? Er wusste es nicht, aber er schickte ihr all seinen Mut und die kümmerlichen Reste seiner Zuversicht.
Er sah ihr nach, bis sie den Saal verließ.
Sie schaute sich nicht um.
Kapitel 21
E s sieht nicht gut für sie aus«, sagte Hamish abends im Rose and Crown, wo er mit seinem Bruder Brendan logierte, als sie mit Matthew Marshall in der Wirtsstube saßen.
»Mrs. Gilly hat ja noch nicht ausgesagt«, gab der Prediger zu bedenken und leerte seinen Alekrug.
»Die Leute fangen an, sie für schuldig zu halten«, argumentierte Hamish.
»Ich fürchte, das ist meine Schuld.« Der Geistliche blickte zerknirscht drein. »Ich hätte mich nicht in die Verhandlung einmischen sollen.«
»Ihr wolltet doch nur helfen«, sagte Brendan.
»Glaubt Ihr, dass Mr. Gilly ermordet wurde?«, wandte Hamish sich an Marshall.
»Nein. Natürlich kann er an der Überdosis Quecksilber gestorben sein, aber es ist durchaus möglich, dass ein Tumor oder eine andere Erkrankung der Verdauungsorgane zu seinem Tod führte. Das ist nicht ungewöhnlich bei einem Mann
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