Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte
seid. Die Arbeit lenkt zwar ab, aber es ist trotzdem ganz schön öde hier. Ein Tag gleicht dem nächsten wie ein Ei dem anderen. Ich halte mich nur mit dem Gedanken aufrecht, dass ich bald rauskomme. Und mit der Arbeit. Auf die Taschen, die wir hier nähen, bin ich richtig stolz.« Sie hält eine hoch. »Ich hätte nie gedacht, dass ich so was kann. Bevor ich hierherkam, habe ich noch nie etwas genäht.«
Eine Glocke ertönt, es ist Mittagspause. Die Vollzugsbeamtin sammelt Scheren, Teppichmesser und andere gefährliche Werkzeuge ein, zählt sie durch und hakt sie auf einer Liste ab.
Aber noch dürfen die Frauen nicht weg – erst geht es zur Drogenkontrolle. Jana und ein paar ihrer Kolleginnen erlauben uns, sie dabei zu begleiten und auch zu fotografieren. Die Frauen werden abgetastet, Schuhe, Ho sentaschen und Jackenaufschläge werden ebenso über prüft wie die Haare – überall könnten Drogen versteckt sein, sie sind allgegenwärtig. Die Gefängnisbibliothek in Vechta wurde vor einiger Zeit geschlossen, weil sie als Treffpunkt für Drogenverkauf und -konsum diente, wie uns die Vollzugsbeamtin erzählt, die gerade die Drogenkontrolle durchführt.
»O mein Gott«, denke ich, »bei geschlossener Bibliothek hätte ich hier noch nicht mal die Chance, problemlos an ein paar Bücher zu kommen.« Die einzige andere Chance, in einem Gefängnis neuen Lesestoff zu erhalten, ist eine handschriftliche Bestellung bei Buchhändlern oder bei Amazon, wie Claus mir einmal erklärt hat. Besucher dürfen keine Bücher mitbringen. Was für ein Albtraum.
Die Frauen werden in ihren Zellentrakt zurückgeführt. Acht Türen müssen dafür auf- und wieder abgeschlossen werden, der Schlüsselbund dürfte fünf Kilogramm wiegen. Gegessen wird nicht in einem Speisesaal, wie man es so oft in Filmen sieht, sondern auf der Zelle oder im Gemeinschaftsbereich dieses Stockwerks. Wobei »Gemeinschaftsbereich« etwas hochtrabend klingt. Es handelt sich dabei um das Ende eines Ganges, wo ein paar Sessel und dickblättrige Pflanzen stehen, direkt vor einem großen, mit weißen Eisenstäben vergitterten Fenster. Man sieht den Innenhof, die Mauer, den blaugrauen Himmel. Doch dass sich die Frauen überhaupt hier aufhalten dürfen und nicht in der Zelle eingeschlossen werden, wenn sie Mittagspause haben, gilt schon als »gelockerter« Vollzug.
Das Essen besteht aus Pellkartoffeln, Spinat, zwei hart gekochten Eiern und einem fettarmen Erdbeerjoghurt. Wer etwas anderes will, muss es sich vom eigenen Geld im Gefängnisladen besorgen und sich selbst zubereiten, eine Gemeinschaftsküche ist vorhanden. Die aufgelockerte Stimmung von vorhin ist verflogen, kaum einer spricht, von Lachen ganz zu schweigen.
Wieder habe ich nicht das Gefühl, in einem Gefängnis zu sein – es wirkt auf mich eher wie ein Krankenhaus. Vielleicht liegt das am Essen, das sehr nach Krankenhausküche aussieht, vielleicht am grau glänzenden Kunststoffboden, vielleicht an den verstaubten Grünpflanzen, vielleicht auch daran, dass viele hier so wirken, als wären sie schwer krank. Was ja bei den Drogenwracks auch der Fall ist, auch wenn die meisten einen – erzwungenen – Entzug hinter sich haben. Grau, trostlos, frustrierend – das sind die Wörter, die mir in den Sinn kommen, und das, obwohl das Wetter draußen warm und eigentlich gar nicht trübe ist. Doch hier drin ist davon nichts zu spüren.
Jana zeigt uns ihre Zelle. Sie teilt sie mit einer anderen Gefangenen namens Danuta, die auf der Sanddornplantage arbeitet und die wir heute Nachmittag begleiten werden. Noch ist die Zelle aber leer, Danuta arbeitet wegen der Erntephase wohl länger – und doch ist es schon jetzt furchtbar beengt. Schockiert bin ich aber nicht – ich habe inzwischen einfach zu viel darüber gelesen und gehört, daher habe ich mir alles ziemlich genau so vorgestellt.
Es gibt ein Stockbett mit durchhängenden Matratzen, bei denen mir schon der Rücken schmerzt, wenn ich sie bloß anschaue. Die Toilette ist nur mit einer Sperrholzwand abgetrennt.
»Man bekommt wirklich alles mit, es hat lange gedauert, bis ich mich daran gewöhnt hatte. Ich meine, man ist mit der anderen Frau ja nicht befreundet, das ist einem schon peinlich«, erzählt Jana.
Ich schüttle mich – selbst wenn ich hier mit meinen allerbesten Freundinnen einsitzen würde, hätte ich damit Probleme und würde wahrscheinlich unter chronischer Verstopfung leiden.
An den Wänden hängen Fotos von Janas Tochter und Danutas erwachsenen
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