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Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte

Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte

Titel: Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Ganzwohl
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beizutragen.
    »So seid ihr Mädchen halt. Immer und überall zickig.«
    Die Vollzugsbeamtin lacht – Olaf kann man nicht so leicht widerstehen.
    Weibliche Gefangene mögen aus Sicht der Vollzugsbeamtin vielleicht komplizierter sein, doch Frauen landen viel seltener hinter Gittern als Männer – gerade mal knapp über drei Prozent aller Inhaftierten in Deutschland sind weiblich. Sie sitzen auch nur in den seltensten Fällen wegen schwerer Verbrechen ein, Totschlägerinnen und Mörderinnen sind eine absolute Ausnahme. Ich er innere mich an Theresia Höyncks Statement im SPIEGEL - Interview: »… die Deliktstruktur (im Frauenvollzug ist) eine völlig andere. Frauen verüben deutlich weniger Gewaltdelikte – und wenn sie es tun, dann handelt es sich in der Regel um leichtere Straftaten als bei Männern. Die Mehrzahl der weiblichen Gefängnisinsassen wurde wegen Diebstahls oder Betrugs verurteilt. Viele Frauen haben gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen, die meisten jedoch nicht innerhalb mafiöser Strukturen, sondern im Rahmen von Beschaffungskriminalität, um den eigenen Konsum zu sichern.«
    Das bestätigt unsere Vollzugsbeamtin mit ihrem nächs ten Satz: »Und dann haben wir hier so viele Drogenwracks, ein Elend ist das. Sie müssen sich nur mal umgucken, all die Ausgemergelten mit den kaputten Zähnen …«
    Claus hat mir schon mehrmals vom »typischen braunfleckigen Knastgebiss« erzählt. Speed, Crack, vor allem aber die Modedroge Crystal Meth ruinieren innerhalb kürzester Zeit Zähne und Zahnfleisch. Und weil in den Haftanstalten so viele Drogenkonsumenten einsitzen, sieht man überall gelbbraune Zähne, Karies, schrumpfendes Zahnfleisch und viele Zahnlücken. Zwar haben die Strafgefangenen hinter Gittern ein Recht auf »ärztliche Grund versorgung«, die auch Zahnarztbehandlungen einschließt, aber eine kosmetische Rundumsanierung, die viele Inhaf tierte nötig hätten, fällt natürlich nicht unter die Grundversorgung. Ich erinnere mich an eine Anekdote über einen in Bochum inhaftierten Wirtschaftskriminellen, den Geschäftsführer eines größeren Unternehmens, die ich bei meinen Recherchen in der Stuttgarter Zeitung gefunden habe. Ihm war sein provisorisches Gebiss zerbrochen; eine Reparatur lehnte der Anstaltsarzt mit den Worten ab, er habe jetzt keine Zeit, und die Gefängnisleitung riet dem Gefangenen, doch mit der »anderen Seite«, also der noch intakten, zu kauen. Über die vielen schauer lichen Knastgebisse, die uns von überall her anblitzen, muss man sich unter solchen Umständen nicht wundern.
    Wir sehen uns genauer in der Schneiderei um. Die Frauen haben die Köpfe gesenkt, doch einige lächeln uns von schräg unten zu und zwinkern. Ich zwinkere zurück, und plötzlich rufen alle durcheinander.
    »Wehe, du fotografierst mich!«
    »Ich will auch nicht!«
    »Bei dir explodiert doch eh der Fotoapparat!«
    »Ich seh heut so scheiße aus!«
    »Wieso heute? Du siehst immer scheiße aus!«
    »Nur die Ruhe«, rufe ich dazwischen. »Ihr seht alle total megasuperduper aus, und fotografiert werden nur die, die das auch wollen. Aber ich kann euch sagen: Olaf ist ein Spitzenfotograf. Auf seinen Fotos sehen alle immer aus wie bei Germany’s Next Topmodel, er ist ein richtiger Zauberer.«
    »Ja, das stimmt«, sagt Olaf und zeigt sein berüchtigtes Grübchengrinsen.
    »Können wir den eigentlich behalten?«, fragt eine.
    »Ihn hier?«, sage ich und deute dabei auf Olaf.
    »Ja, das Zuckerbaby!«
    »Alles eine Frage des Preises.«
    »Wehe du verkaufst mich so billig wie letztes Mal. Immerhin bin ich ein Sahneschnittchen«, sagt Olaf.
    Einige lachen.
    »Ihr seid gar nicht so schlimm, wie ich gedacht habe«, sagt eine.
    Das Eis ist gebrochen – zumindest hoffe ich das.
    Unsere Interviewpartnerin hier ist Jana – sie hat sich freiwillig bereit erklärt, mit uns zu sprechen und Fotos von sich machen zu lassen. Man kann davon ausgehen, dass Jana eine Vorzeigegefangene ist, andernfalls hätte die Ge fängnisleitung sicher nicht zugestimmt. Jana sitzt an einer Nähmaschine. Als sie uns kommen sieht, richtet sie sich auf, lächelt uns an und wischt sich die Hände an ihrer Jeans ab – hier im Frauengefängnis scheint es keine vorgeschriebene Gefängniskluft zu geben wie bei Claus in Stadelheim. Entweder liegt es daran, dass man auf die weiblichen Eitelkeiten Rücksicht nimmt und den Frauen keine hässlichen Klamotten aufzwingt, oder der Strafvoll zug ist hier im Norden etwas lockerer als bei uns im

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