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Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte

Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte

Titel: Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Ganzwohl
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zusammen« wird mit unverständlichem Gemurmel erwidert. Ich komme mir jetzt doch so vor, als wäre ich in ein Mädcheninternat geraten.
    Mir fällt das ausgedruckte SPIEGEL -Interview ein, das ich in meiner Tasche zwischen all den anderen Rechercheunterlagen mit mir herumtrage. Darin ging es um die Unterschiede zwischen Männer- und Frauenvollzug. Laut Theresia Höynck vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen lassen sich »innere und äußere Sicherheit (…) in Frauengefängnissen viel leichter gewähr leisten als in Haftanstalten mit überwiegend männlichen Insassen. Natürlich gibt es auch unter Frauen physische Gewalt sowie massive Unterdrückungs- und Abhängigkeitsstrukturen – der Gefängnisaufenthalt ist schließlich keine Veranstaltung von Klosterschülerinnen. Solche Auseinandersetzungen liegen aber deutlich unter dem Niveau dessen, was im Männervollzug stattfindet.«
    Claus sagte mir bei einem unserer langen Gespräche, er habe stets versucht, sich Ärger vom Hals zu halten, und das sei ihm auch gelungen. Das sei gar nicht so schwierig, wenn man keine Drogen nehme wie viele Mithäftlinge, meinte er. »Giftler« werden Drogenabhängige in Stadelheim genannt, auch dann noch, wenn sie längst zwangsweise clean sind.
    Die meisten Auseinandersetzungen und die Gewalt hätten mit dem Drogenkonsum hinter Gittern zu tun, sagt Claus. Ich fragte ihn, wie denn die Gefangenen an Drogen kämen.
    »Ach, manchmal flog eine Tüte über die Mauer, beim Hofgang. Einer lenkte den Beamten ab, der gerade Wachdienst hatte, und schwupp, schon war wieder ein Beutelchen mit irgendwas in irgendeiner Hosentasche verschwunden. Den genauen Zeitpunkt hatten die zuvor bei einem Besuch abgesprochen. Und wahrscheinlich schmuggeln auch manche Anwälte, Therapeuten und sogar Vollzugsbeamte was ein. Auch wenn ich dafür keine Beweise habe …«
    Vergewaltigungen, wie man sie aus Knastfilmen kennt, habe er zum Glück nie mitbekommen oder gar selbst erleben müssen, berichtete Claus. Überhaupt gehe es ganz anders zu als in diesen typischen Hollywood-Filmen über Gefängnisse. Vielleicht sei die Situation in anderen Län dern wirklich so, wie sie in diesen Filmen dargestellt werde, aber deutsche Knäste seien da seines Wissens nicht so.
    »Wobei«, betonte er, »ich musste mir schon Respekt verschaffen, um in Ruhe gelassen zu werden. Und das habe ich mit Sport geschafft.«
    Claus hat, nachdem er seine Depression und die Suizid gedanken überwunden hatte, in Stadelheim bei jeder sich bietenden Gelegenheit trainiert. Er erhielt sogar die Erlaubnis, beim einstündigen Hofgang nicht nur schnell zu gehen, wie es viele Häftlinge machen, um sich Bewegung zu verschaffen, sondern zu laufen. Eigentlich ist das in allen Haftanstalten aus Sicherheitsgründen verboten. Die Gefängnisleitung fürchtet Ausbruchsversuche oder hat Angst, die Kontrolle zu verlieren, wenn alle Gefangenen beim täglichen Hofgang plötzlich Rennen veranstalten. Doch Claus durfte joggen und drehte täglich seine Runden, bei jedem Wetter – er war offenbar ein Musterhäftling mit einigen Privilegien.
    »Na ja, außerdem war Laufen nicht gerade eine angesagte Sportart im Knast. Die Jungs interessierten sich eher für Kraftsport.«
    Auch Claus trainierte so oft wie möglich im Kraftraum und zog unbeirrt sein selbst entwickeltes Trainingsprogramm durch.
    »Erst hielten die mich alle für bekloppt, doch dann haben sie mitbekommen, welche Gewichte ich stemmen kann und wie schnell ich an Muskelmasse zulege, wenn ich möchte. Da fiel ihnen die Kinnlade runter, denn die meisten von denen trainieren völlig falsch.«
    Und so wurde Claus beim Sport zum Ratgeber und Trainer und gewann auf diese Weise an Ansehen. Wie groß das Ansehen war, hatte ich selbst erlebt – bei der Begegnung mit Wladi im Englischen Garten.
    »Der Frauenvollzug ist mühsam«, sagt die Vollzugsbeamtin, die uns begleitet, gerade, und reißt mich damit aus meinen Gedanken.
    »Wissen Sie, ich war früher im Männervollzug. Da ist es einfacher, finde ich. Wenn’s da Zoff gibt, dann gibt’s – zack – einen auf die Zwölf, und gut ist’s. Aber bei den Frauen. Puuuh …«
    Weil ich nicht sofort antwortete, springt Olaf ein.
    »Kann ich mir vorstellen«, sagt er und versucht, mitfühlend zu klingen, um seinen »Wärter-Patzer« von vorhin wieder auszumerzen.
    »Immer dieses Gezicke und Getratsche und alles immer hintenrum.«
    »Oje, klingt wirklich mühsam«, sage ich, um auch etwas zur Unterhaltung

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