Geliebter Normanne
den Binsen ihren Rausch ausgeschlafen hatten, schlich Hayla sich bei Sonnenaufgang in die Halle. Zwei, drei Männer grunzten im Schlaf, aber keiner wachte auf. Ralph Clemency schlief nicht bei ihnen, er hatte die Kammer des früheren Burgherrn im ersten Stock bezogen. Die Luft war mit den Gerüchen von Alkohol und den Ausdünstungen der Männer geschwängert, und Hayla hielt sich eine Hand vor Mund und Nase. Sie durchquerte die Halle und öffnete leise die Eingangstür, denn sie musste in den Wald, um Holz zu sammeln. Der von Ralph zusammengeschlagene Knecht war für das Auffüllen der Holzvorräte zuständig, aber in seinem Zustand konnte er die schwere Schütte nicht tragen. Obwohl Waline protestiert und vorgeschlagen hatte, Hayla zu begleiten oder wenigstens Eric mitzunehmen, machte sie sich allein auf den Weg.
»Sir Ralph und die Männer werden sicher noch zwei, drei Stunden ihren Rausch ausschlafen, bis dahin bin ich längst wieder zurück.« Hayla deutete zum Himmel. »Es hat seit vier Tagen nicht mehr geregnet und keinen Frost gegeben, darum müssen wir die Gelegenheit nutzen, Holz zu sammeln, bevor es wieder nass wird. Erics Wunde hat gestern erneut geeitert, er muss den Arm schonen, damit es kein brandiges Fleisch gibt.«
»Nun gut, aber sei vorsichtig und entferne dich nicht zu weit von der Burg.«
»Keine Sorge, Waline, ich gehe nur in das westliche Wäldchen. Dort wird vorerst genügend Holz zu finden sein«, antwortete Hayla und bemühte sich um ein unbeschwertes Lächeln, um die Magd nicht zu beunruhigen.
Hayla holte die Schütte aus dem Schuppen und schnallte sie sich auf den Rücken. Wenn sie später gefüllt war, würde sie eine schwere Last sein, aber Haylas zierliche Figur täuschte. Sie war kräftig und zäh, das letzte Jahr als Magd auf Penderroc Castle hatte ihre Muskeln gestählt, und niemand vermutete, welche Kraft in ihrem Körper steckte. Hayla musste nicht weit gehen, denn in Sichtweite der Burg begann der dichte Wald, und sie kannte die Stellen, an denen jede Menge Bruchholz herumlag. Der Tag begann sonnig, aber es wehte ein kalter Nordwind. Trotzdem fror Hayla nicht, denn sie arbeitete schnell, und rasch war die Schütte bis zum Rand gefüllt. Sie würde wohl drei- oder viermal gehen müssen, damit sie, bis der Knecht wieder gesund war, genügend Holz für die kommenden Tage hatten. Hayla hievte die Schütte auf den Rücken, als sie plötzlich das Gewicht nicht mehr spürte. Mit einem Schrei fuhr sie herum und blickte Ralph Clemency ins Gesicht. Mit einer Hand hielt er die Schütte, während er Hayla mit seinen engstehenden Augen von oben bis unten musterte. Hayla hatte ihn nicht kommen hören und versuchte, einen Anflug von Panik zu unterdrücken.
»Ich habe dir schon einmal gesagt, du sollst nicht so schwer tragen.« Ralphs Stimme war leise, aber Hayla hörte deutlich einen erregten Unterton heraus. »Es ist schön, dass wir beide nun endlich einmal allein sind. Ich habe den Verdacht, du bist mir aus dem Weg gegangen, Mädchen, doch jetzt sind nur wir beide hier …«
Hastig sah sich Hayla um und bemerkte, dass er allein war, doch bevor sie davonlaufen konnte, hatte Ralph auch schon die Schütte fallen lassen, und das Holz lag verstreut auf dem Waldboden. Mit beiden Händen packte er Haylas Schultern und zog sie an sich heran. Fieberhaft arbeiteten Haylas Gedanken. Was sollte sie tun? Sollte sie um Hilfe rufen? Selbst wenn in Penderroc jemand ihre Schreie hören würde – entweder wären es Ralphs Männer, die keinen Finger krumm machen würden, ihr zu helfen, oder ihre eigenen Leute. Und diese hatten viel zu viel Angst vor Ralph, um einzuschreiten.
»Lasst mich los!« Hayla versuchte, ihn ihre Angst nicht merken zu lassen, und blickte ihm fest in die Augen. »Was wollt Ihr von mir? Ihr habt doch eine willige Frau für Euer Lager gefunden.«
Ralph grinste breit, und als er sprach, trafen Speicheltropfen ihr Gesicht.
»Ha, die ist gut für die Nacht, wenn es dunkel ist, aber so etwas Junges und Frisches wie dich habe ich schon lange nicht mehr unter mir gehabt.«
Der Druck seiner Finger verstärkte sich, und Hayla verlegte sich aufs Bitten.
»Ich flehe Euch an, Sir, lasst mich gehen! Ich bin doch nur eine einfache Magd …«
»Und hoffentlich noch Jungfrau«, vollendete er den Satz. Sein glühender Blick verriet Hayla, wie sehr ihn diese Vorstellung erregte. »Ja, ich glaube, du bist noch unberührt. Sag mir, hat dich je ein Mann an den Stellen berührt, die unter deinem
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