Geliebter Rebell
einmal. Wenn sie das Haar seitlich mit einer Spange zurücknahm, das goldene Halsband und die neuen schwarzen Pumps trug…
Sie hätte duschen sollen, aber nach dem langen, anstrengenden Tag in der Galerie entschied sie sich für ein erholsames Bad. Sie füllte die Wanne, goß sich ein Glas Wein ein und stieg in den duftenden Schaum. Das warme Wasser entspannte ihre Glieder. Sie legte sich zurück, schloss die Augen, öffnete sie wieder und musterte ihr Badezimmer, das ihr immer wieder gefiel. Sie hatte es in verschiedenen Malventönen eingerichtet, mit Spitzengardinen über dunklerem Samt und Handtüchern, die mit ihrem Monogramm bestickt waren. Tina hatte einmal erklärt, Gayles Bad erinnere sich an ein klassisches Bordell. Dieser Vergleich sagte ihr nicht besonders zu. Jedenfalls fühlte sie sich hier sehr wohl. Auf der Marmorplatte der Kommode standen kleine Hummel-Figuren, über den Handtuchringen aus Messing erhob sich ein Lladrö-Engel. Wenn sie auch nicht malen konnte, so besaß sie doch einen künstlerischen Sinn für schöne Gegenstände. Dabei ging es ihr keineswegs darum, möglichst viele zu erwerben. Als Thane zu ihr gezogen war, hatten sie am Boden geschlafen, auf Matratzen, Käse und Brot gegessen und bei billigem Wein miteinander gelacht.
Zum erstenmal seit langer Zeit dachte sie wieder an Thane – vielleicht, weil Geoffrey den Namen des Toten erwähnt hatte und Sallys Brief gekommen war. Eigentlich müsste sie solche Erinnerungen ganz natürlich finden. Aber warum fühlte sie sich so – beunruhigt? Sie nippte an ihrem Wein und dachte:
Es muss an McCauleys Gemälde liegen. Das Bild des Liebespaars ging ihr nicht aus dem Kopf, und beim Gedanken an die beiden verspürte sie eine heftige Unzufriedenheit mit ihrem Leben, das ihr bisher so erfreulich erschienen war. Nein. Sie schüttelte den Kopf, leerte ihr Glas ein wenig zu schnell und verschluckte sich beinahe. Jeder ist hin und wieder unglücklich, sagte sie sich. Verheiratete möchten ledig sein, Ledige verheiratet. Große wollen klein sein. So was gehört nun mal zum menschlichen Wesen…
Sie stieg aus der Wanne, ignorierte den Schaum, der an ihr klebte, und wickelte sich in ein großes Badetuch. Dann eilte sie ins Schlafzimmer, um sich anzukleiden. Sie hatte länger gebadet als geplant. Hastig nahm sie Unterwäsche und Strümpfe aus ihrer Kommode und lächelte über ihre Schwäche für hübsche Dessous. Seidene Bodys, BHs und Höschen aus kostbarer Spitze füllten die Schubladen.
Als sie eine Spange in ihr langes blondes Haar steckte, klingelte es an der Tür. Gayle rief, sie würde gleich kommen, schlüpfte in die Pumps, packte den Mantel, die Handtasche, das elegante Neglige, das sie für Tina gekauft hatte, und lief aus dem Haus.
Die Nacht war noch schöner geworden, Mondlicht versilberte den Schnee. Erwartungsvolle Vorfreude schien in der frischen Luft zu liegen. Gayle riss sich zusammen. Wenn sie nicht aufpasste, würde sie noch beginnen, an die Macht des Schicksals zu glauben. Aber verdammt, es war wirklich ein seltsamer Tag, nicht so sehr aufgrund der Ereignisse, vielmehr wegen ihrer Gefühle.
»He, steig ein!« drängte Tina. »Es ist eiskalt, falls du das noch nicht bemerkt hast.«
Die hintere Tür von Liz’ kleinem Volvo schwang auf. Gayle kletterte in den Fond und schloss rasch den Wagenschlag. Die Fahrerin lächelte ihr im Rückspiegel zu, Tina drehte sich um und musterte die Freundin im Schein der Straßenbeleuchtung.
»Noch mal alles Gute zum Geburtstag, Kindchen«, wünschte ihr Gayle.
Tina schnitt eine Grimasse. »Fünfunddreißig! Fast bin ich schon in mittleren Jahren.«
»Das bist du bereits«, erwiderte Liz fröhlich.
»Oh, das ist okay«, versicherte Gayle. »Jedenfalls alterst du charmanter als Joan Collins.«
»Das will ich auch hoffen«, warf Liz ein. »Sie ist zwanzig Jahre jünger.«
»Fahr doch einfach, ja?«
Liz zwinkerte Gayle im Rückspiegel zu und konzentrierte sich auf den immer noch dichten Verkehr. Interessiert erkundigte sich Tina nach der Ausstellung, und Gayle schilderte ihre Bemühungen, die Gemälde möglichst vorteilhaft aufzuhängen, und Geoffreys Neurosen. Sie erwähnte auch ihre Sorge, McCauley würde nicht auftauchen.
Dann erzählte Tina von ihrem Arbeitstag im Fitnesszentrum, das sie leitete, und wo sich die drei Frauen vor einigen Jahren kennen gelernt hatten. Sie beklagte sich über einen dicken Mann, der zu glauben schien, sie könnte ihn innerhalb von zwei Wochen in Sly Stallone
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