Geliebter Teufel
»Dort wollen wir hin.«
Sie folgte seinem Blick, konnte aber nichts erkennen, das im mindesten auf ein Lager hinwies. Nur Eichen, Pinien und Bärentrauben wuchsen dort. Ein langer, steiniger Cañón führte zu dem schroffen Felsen hinauf.
»Der Aufstieg ist nicht leicht.« Ein teuflisches Grinsen zuckte um seine Mundwinkel. »Wenn Sie mich sehr nett bitten, nehme ich Sie vielleicht auf meinem Pferd mit.«
Die Canonwände ragten erdrückend vor ihr auf. Ihre Beine zitterten bereits vor Erschöpfung. Wie sollte sie den schwierigen Aufstieg schaffen? Sie war den Tränen und dem Zusammenbruch nahe. »Fahren Sie zur Hölle.«
Er runzelte die Stirn, dann schaute er den steilen, mit Steinen übersäten Cañón, der keinen sichtbaren Pfad hatte, hinauf. Einen Moment lang wirkte er unentschlossen. »Ihr Stolz wird Ihnen zum Verhängnis, Señorita.«
Carly wurde zornig. »Und was ist mit Ihrem Stolz, Don Ramón?« Die Verzweiflung trieb sie dazu, ihn zu reizen. Ohne die Wut würde sie nicht länger durchhalten. »War es Ihr unglaublicher spanischer Stolz, durch den Ihr Bruder den Tod gefunden hat? Oder war es bloß Ihre Gier?«
Zorn flammte in seinen dunklen Augen auf, wirkte versengend und eisig zugleich. Er wandte sich ab, so daß sie nur sein klares, vornehmes Profil sah, und schwang sich auf sein Pferd. Er gab dem Tier die Sporen und ließ es hinaufklettern.
Zunächst gingen sie ein Stück vorwärts. Dann tauchte wie aus dem Nichts der Pfad auf. Es war unmöglich, ihn vorher zu sehen, merkte Carly, und hinter ihr achteten die Männer darauf, mit Zweigen und Blättern den Weg zu verbergen, den sie gekommen waren. Nun verlor sie jeglichen Mut. Niemals würde ihr Onkel den Pfad finden, und selbst wenn, dann konnte er nicht unbemerkt an den Wachen vorbei, die in regelmäßigen Abständen in den felsigen Wänden des Cañón postiert waren.
Carly stolperte. Heiß brannten ihr die Tränen in den Augen. O Gott, warum hatte sie den Don nicht um Hilfe gebeten? Warum hatte sie nicht ihren Stolz überwunden und ihn den Sieger sein lassen, wie er es unbedingt wollte? Was spielte es für eine Rolle? Doch so einfach war das nicht. Ihr Stolz war alles, was sie noch besaß, und er half ihr, die Angst zu verbergen, die sie empfand. So leicht konnte sie ihn nicht überwinden. Sie wischte sich die Tränen weg.
Die Hälfte des Weges hatte sie bereits hinter sich gebracht, als sie stolperte und den Halt verlor. Sie fiel der Länge nach unter einer Bärentraube in den Staub. Scharfe Dornen gruben sich in ihr Fleisch. Einer der Vaqueros ritt zu ihr, stieg vom Pferd und half ihr behutsam auf die Füße. Er redete leise auf sie ein, sprach ihr aufmunternd in Spanisch zu, soweit sie verstehen konnte. Ihr war so schwindlig, daß sie kaum etwas mitbekam.
Pedro Sánchez ritt heran und zügelte sein Pferd neben dem Don.
»Es reicht, Ramon! Laß das Mädchen gehen.«
»Nein.«
»Hör auf mich, hijo. Ich kenne dich von klein auf. Immer war ich so stolz auf dich, als wärst du mein eigener Sohn. Tu das jetzt nicht.«
»Halt dich da raus, amigo.«
»Ich weiß, daß du dich innerlich zerfrißt. Deine Trauer macht dich blind - ich bitte dich deshalb, hör endlich mit dieser Grausamkeit auf.«
»Ich sagte, du sollst dich da raushalten.«
Einen Moment lang bewegte der alte Mann sich nicht. »Hör mir gut zu, Ramon de la Guerra. Wenn du es so weitertreibst, wird das dein größter Fehler sein, und zum ersten Mal, seit ich dich kenne, werde ich mich für dich schämen.«
Beim Don zuckte ein Muskel am Kiefer. Sein Blick wanderte von Sánchez zu Carly, und ein süffisantes Lächeln zuckte um seine Lippen. »Wir werden das Mädchen fragen. Wenn sie reiten möchte, braucht sie es nur zu sagen, und ihr Wunsch wird erfüllt.« Er musterte sie mit seinem herausfordernden Blick. »Wünschen Sie mit mir zu reiten, Señorita McConnell?« Er verspottete sie, versuchte sie zu erniedrigen und sie dazu zu bringen, daß sie sich gegen ihn wehrte. »Wenn ja, brauchen Sie es nur zu sagen, und ich werde dafür sorgen, daß Ihnen Ihr Wunsch erfüllt wird.«
Tränen brannten in ihren Augen, doch sie starrte ihn nur abweisend an, haßte ihn aus ganzem Herzen für das, was er tat, und wünschte sich, sie könnte ihm das gemeine Lächeln mit Gewalt austreiben.
Aber noch mehr wünschte sie sich, sie könnte aufgeben und die Worte aussprechen, die er hören wollte. Doch sie wußte nur zu gut, daß sie das nicht konnte. Sie schaute den Pfad hinauf. Allzuweit
Weitere Kostenlose Bücher