Geliebter Teufel
herbei, überzeugt, daß er käme, und versank schließlich in einen tranceähnlichen Schlaf.
Sie erwachte vor dem Morgengrauen durch das Wiehern der Pferde und das Auflegen der Ledersättel, als die Männer das Lager abbrachen. Der junge Vaquero namens Ruiz brachte ihr das Frühstück: aufgewärmte Tortillas, etwas übriggebliebenes Fleisch und eine Blechtasse mit dampfend heißem Kaffee, der besser schmeckte als jeder andere, den sie bisher getrunken hatte. Hunger hatte sie keinen, aber sie zwang sich, etwas zu essen und fühlte sich noch müder als die Nacht davor. Alle Knochen schmerzten, jeder Muskel tat ihr weh. An den Füßen hatte sie Blasen, Schrammen und offene Wunden. Ihre Arme und Beine waren verkratzt, ihre Lippen trocken und aufgeplatzt.
Sie hörte den älteren Vaquero bei dem Don für sich bitten, doch er wandte sich wie zuvor schon ab.
Zumindest lebte sie noch. Sie war nicht vergewaltigt worden, wie sie befürchtet hatte, und bis auf den Don war niemand grausam mit ihr umgegangen. Inzwischen mußte ihr Onkel ihnen mit seinen Männern dicht auf den Fersen sein. Sicherlich würde er sie bald finden.
»Es wird Zeit zum Aufbrechen, Señorita.« Die Worte rissen sie aus ihren Gedanken. Der Spanier trat zu ihr und blickte sie ausdruckslos an. Tiefe Schatten lagen unter seinen kalten, dunklen Augen. Er wirkte rücksichtslos, abgestumpft und gefühllos.
Bodenlose Abneigung erfaßte sie. »Wo gehen wir hin? Wohin bringen Sie mich?«
Ein grimmiges Lächeln huschte über sein Gesicht. »Wir ziehen hoch in die Berge. Nach Llano Mirada, ein Ort, der manchmal mein Zuhause ist.«
»Mein Onkel wird Sie finden, gleichgültig, wohin Sie gehen. Er wird nicht eher ruhen, bis er Sie erlegt hat wie das Tier, das Sie sind.«
»Tüchtigere Männer haben das schon versucht. Keiner hat es geschafft. Ihrem Onkel wird das nicht anders ergehen.«
»Was wollen Sie von mir? Was haben Sie vor?«
Er musterte sie prüfend, dreist, sinnlich und mit unverhohlenem Interesse. »Das bleibt abzuwarten, Señorita.« Er legte ihr das geflochtene Lederband um eines ihrer Handgelenke, zog es fest, führte sie zu seinem Pferd und schwang sich geschmeidig in den Sattel. »Jetzt müssen wir uns erst einmal auf den Weg machen.«
Ärger erfaßte sie. Bitterkeit und Haß breiteten sich in ihrem Innern aus. Sie ignorierte ihr zerrissenes Nachthemd, das zerzauste Haar und die viel zu großen Mokassins an ihren Füßen, warf ihm ein kühles, einstudiertes Lächeln zu und gab sich dabei so hochnäsig sie konnte. »Ich bin bereit, wenn Sie es sind, Señor El Dragón.«
Das Gesicht des Don verhärtete sich, und ein Muskel zuckte an seiner Wange. Carly verspürte eine gewisse Befriedigung. Er hatte sie erniedrigen, sie zum Winseln und Betteln bringen wollen. Er war sicher gewesen, er würde ihren Willen brechen.
Jedesmal, wenn sie seine breitschultrige Gestalt von hinten sah, wie arrogant er auf dem rabenschwarzen Pferd ritt, dachte sie unwillkürlich an den gutaussehenden Mann, von dem sie geträumt hatte und der ihr die Rose geschenkt hatte. Nachdrücklich erinnerte sie sich daran, daß ebendieser reizende Mann, zu dem sie sich so hingezogen gefühlt hatte, sie in Wirklichkeit im stillen ausgelacht hatte.
Der Hengst schüttelte seinen Kopf und begann, den Pfad hinaufzuklettern. Carly folgte ihm. Ungeachtet ihrer schmerzenden Muskeln, Wunden, Schrammen und blauen Flecken richtete sie ihren Blick auf den breiten Rücken des Spaniers und setzte beständig einen Fuß vor den anderen. Sánchez folgte ihnen, zusammen mit den übrigen Männern.
Gegen Mittag brannte die Sonne heiß über ihnen. Der geflochtene Lederstrick schnürte ihr ins Handgelenk, und der blaugeränderte Bademantel verhedderte sich bei jedem Schritt zwischen ihren Beinen. Sie stolperte und wäre vermutlich hingefallen, wenn der Don sein Tempo nicht verlangsamt hätte. Der Pfad führte eine lange, steile Anhöhe hinauf, raubte ihr die Kraft samt dem eisernen Willen. Ihre Beine fühlten sich wacklig an, und ihr Mund war wie ausgetrocknet. Sie war sich nicht sicher, wie weit sie noch gehen konnte.
Als ob er ihre Gedanken erraten hätte, zügelte er sein Pferd, löste seine Feldflasche, kam zu ihr und reichte sie ihr. Carly setzte sie an die Lippen und genoß jeden kühlen Schluck, aber sie schaffte es kaum, das Zittern ihrer Hände zu unterdrücken.
»Llano Mirada ist gleich dort«, sagte er, nahm die Feldflasche wieder an sich und deutete zur Spitze des steilen Bergs hinauf.
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