Geliebtes Landleben
anderen Schulen gab. Daher bat er uns, alle
möglichen Anstrengungen zu unternehmen, um am >Kälbchentag< Geld
einzunehmen, und er hatte dafür gesorgt, daß für diese Veranstaltung viel Reklame
gemacht wurde, um eine hohe Besucherzahl zu erreichen. Paul war der Vorsitzende
des Ausschusses, also sehr beschäftigt; es wurden alle möglichen neuen Ideen
vorgebracht, wie Ponyreiten und sogar ein paar kleine Aufführungen.
Natürlich mußte es eine
>große Parade< geben. So nannte man die etwas ungeordnete Prozession, bei
der die Kinder in einem großen Kreis liefen und eine lustige Ansammlung von
Haustieren führten oder von ihnen geführt wurden, die nicht nur aus Lämmern und
Kälbern bestand, sondern auch aus Hunden, Hühnern, Vögeln und Ziegen und aus
allem, was man nur beibringen konnte.
Manche von diesen unglücklichen
Wesen waren geschmückt, einige angezogen und wieder andere zogen sogar kleine
selbstgemachte Karren. In diesem Jahr durften die Kinder sogar kleine Büchsen
mitnehmen, um Geld zu sammeln, und ich sah schon, daß wir größere Summen
einbüßen würden.
Man konnte natürlich keine
Unterschiede machen. Eigentlich sollten wir nur die Ausstellungsstücke
belohnen, die wir am besten fanden, aber es war unmöglich, nein zu sagen, wenn
ein kleines Maori-Mädchen hoffnungsvoll mit ihrer Büchse klapperte, auch wenn
ihr Lämmchen unterernährt, schmutzig und menschenfeindlich war. Hier mußte man
genauso großzügig sein, wie bei Annes Zwillingen mit ihren herrlich gepflegten
und offensichtlich geliebten Haustieren. Geld mußte eingenommen werden, und wer
wollte ein Kind enttäuschen, das einen mit feuchten braunen Augen ansah und
heimlich seine Nase am Ärmel abwischte, wenn es wartete?
Es mußte früh im November sein,
wenn die Lämmer und Kälber ihre beste Zeit hatten, aber es war vom Wetter her
gesehen ein unglückliches Datum, weil es immer wechselhaft war. Würde es ein
schöner Tag sein, oder würde die Prozession in strömendem Regen stattfinden,
manche Kinder in Regenmänteln ihrer Eltern, die bis zu den Schuhen reichten,
und alle Tiere trübsinnig und vor Kälte zitternd? Dieses Jahr hatten wir Glück.
Es war ein schöner, ruhiger Tag, ein Frühlingswetter, bei dem die
Hügellandschaft am schönsten ist.
Wir standen früh auf, denn man erwartete
eine große Menschenmenge, sogar von so weit her wie Te Rimu, außerdem mußte für
die Verkaufsstände noch in letzter Minute etwas gebacken werden, ein Lamm und
ein Kalb waren noch zu fangen und zu schmücken, und alle möglichen Dinge
wollten getan sein.
Alles verlief wie erwartet.
Fritzi, Christophers Kalb, ließ sich weder einfangen noch zum Eimer locken, und
als wir es schließlich am Boden festhalten konnten, entdeckten wir, daß es sich
ein paar Läuse geholt hatte. Da sein Fell am Tag zuvor noch makellos gewesen
war, konnte ich mir nur denken, daß es sich in böser Vorahnung in der Nacht mit
irgendeinem niedrigen und unwürdigen Freund brüderlich vereint hatte.
Christopher war heute morgen
aus irgendeinem Grund viel netter und hilfsbereiter als sonst, und ich wagte zu
hoffen, daß seine schlechte Phase ein Ende nahm. Er geriet leicht in Wut, als
die Läuse entdeckt wurden, protestierte aber kaum, als er an die Behandlung
gehen sollte, eine mühevolle Arbeit mit Läusepuder und einer langen und
sorgfältigen Suche, bis jedes der kleinen schrecklichen Dinger verschwunden
war, dann schließlich noch eine gründliche Wäsche. Er machte es gut, und Fritzi
sah aus wie aus dem Bilderbuch, als die Prozedur vorüber war. Keiner hätte
vermutet, daß sie sich noch zwei Stunden zuvor in diesem beschämenden Zustand
befand.
Inzwischen war seine jüngere
Schwester, Patience, mit ihrem Lämmchen Judy beschäftigt. Wie das Kalb ihres
Bruders war auch dieses Wesen einem fünftägigen intensiven Unterricht in der
Kunst des Führens und des allgemeinen guten Benehmens unterzogen worden. Es war
wohl nicht unnatürlich, daß Judy das alles äußerst langweilig fand, nicht
kommen wollte, wenn es gerufen wurde, und sogar der Verlockung des offenen
Gartentors widerstand, eine Gelegenheit, die es sonst nie ausgelassen hatte.
Schließlich mußten wir uns alle, Paul, Patience und ich, abmühen, um es
einzufangen; dann ließ es sich keuchend und erschöpft in einer Ecke der Veranda
nieder und schien sterben zu wollen. Dadurch wurde die Panik noch größer, aber schließlich
gelang es mir, Patience zu überzeugen, daß Judy wohl den Tag überleben würde,
worauf
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