Geliebtes Landleben
sie nicht, aber sie wird so, wenn sie ihr Leben lang für selbstsüchtige alte Eltern gesorgt hat, nie Freuden kannte und noch mit fünfzig wie ein Schulmädchen behandelt wurde. Wenn man sechzig ist und endlich seine mürrische alte Mutter beerdigt hat, ist man kaum noch in der Stimmung, sich zu schminken oder zu einer guten Schneiderin zu gehen.«
Der Oberst wurde versöhnlicher. »Sie ist also zu Hause geblieben und hat sich um sie gekümmert? Nicht wie die jungen Leute heutzutage.«
Er wurde sofort von Tony zurückgewiesen, die sich bei ihm Dinge herausnahm, wie es keiner von uns gewagt hätte.
»Komm, mein Schatz, jetzt verfalle nicht ins Mittelalter. Du bist doch gar nicht so. Du hättest nie gewollt, daß Anne sich für dich opfert. Ich glaube, Kate hat sich einfach dazu gedrängt. Vielleicht standen die jungen Männer bei ihr nicht gerade Schlange, aber ich wette, sie hätte bestimmt heiraten können. Ich finde, das ist ein Jammer.«
Nichts feuert Tony mehr an als Ungerechtigkeit. Ich war froh, daß Tante Kate nicht dazu geschaffen war, sich bemitleiden zu lassen oder zum Gegenstand von Tonys Kreuzzügen zu werden. Wie schrecklich, wenn sie versucht hätte, sie mit dem Oberst zu verheiraten!
»Natürlich kommst du mit zu dem Begrüßungsfest für den Doktor«, sagte Larry zu Tante Kate. »Den wahren Freuden des Lebens im Hinterland sollte man nicht aus dem Wege gehen.
Außerdem wirst du eine Küche kennenlernen, die alles in diesem Hause übertrifft. Was man anzieht? Die Leute tragen alles. Manche kommen mit Wolljacke und Rock, andere ganz vornehm. Dein graues Seidenkleid ist genau das Richtige.«
Abgesehen davon, daß es sieben Jahre alt und damals schon altmodisch war, hatte Larry recht.
Mrs. Palmer, die bei Tiri lebte und eine gute Seele war, rief mich zufällig vor dem Fest an. Sie sagte: »Der Doktor ist angekommen. Er ist so nett. Ich habe ihn im Supermarkt gesehen. Er sieht jung und etwas still aus, aber nicht hochnäsig. Eure Tony hat ihm gesagt, was er sich für seinen Hausstand kaufen soll.«
Das sah ihr ähnlich. Wahrscheinlich hatte sie ihn schon ganz unter ihre Fittiche genommen. Ich erzählte Larry, was ich gehört hatte. Sie lachte nur gefühllos.
»Jetzt wirst du wegen Tony völlig aus dem Häuschen geraten. Hoffentlich entwickelst du dich nicht zu einer kindischen Mutter... Aber weißt du, Susan, Kate hat recht. Wir sind Fremden gegenüber kritisch. Er ist wahrscheinlich ein sehr netter junger Mann und sowieso in eine kleine Krankenschwester verliebt. Tony ist erwachsen geworden, seit sie sich damals in einen kränklichen Pfarrer verliebt hat. Ich wette, daß sie viele gutaussehende junge Männer kennenlernt, wenn sie mit ihrem Vater unterwegs ist.«
Natürlich hatte sie recht, und ich mußte für das Begrüßungsfest an diesem Abend Begeisterung zeigen, Paul kam mürrisch herein, wie das Farmer so an sich haben, die nach einem langen Arbeitstag noch ausgehen müssen, obwohl es ihnen normalerweise gefällt, wenn sie dann da sind und mit ihren Freunden fachsimpeln.
Als wir an diesem Abend ausgingen, waren wir froh, einen ständigen Babysitter zu haben.
Tante Kate hatte sich sehr um diese Aufgabe bemüht, aber wir erklärten, daß wir schon seit Jahren alle Kinder sammelten und sie zu Mrs. Evans brachten, die nur allzu froh war, eine Entschuldigung zu haben, um gesellschaftlichen Verpflichtungen fernzubleiben. Häufig bettelte auch der Oberst darum, und dann hatten die Kinder ein richtiges Fest, wenn auch kein allzu wildes. Aber bei einer Gelegenheit, wie bei der Begrüßung des neuen Arztes, mußte der Oberst anwesend sein.
In Gedanken an Kates Bemerkung über unseren »geschlossenen Zirkel« sagte ich zu Larry: »Nein, wir werden nicht zusammen ankommen, und vergiß nicht, dich unter die Leute zu mischen. Das heißt, wenn es den anderen recht ist. Ich persönlich glaube eigentlich, daß wir sie langweilen.«
»Wahrscheinlich. Alte Pioniere und so weiter. Aber ich will es versuchen. Geht Tony mit dir hin oder mit Tantchen?«
»Mit Tantchen. Sie machen Inventur, deshalb ist sie in Tiri geblieben. Natürlich nennt sie den jungen Mann jetzt wahrscheinlich schon beim Vornamen. Er mußte bestimmt einkaufen, und du kennst doch Tony.«
Ich war fest entschlossen, Peter zu seinen Pflichten zu zwingen, daher rief ich ihn an und bat ihn, zum Abendessen zu kommen und sich uns dann anzuschließen. Seine Schwester Alison und Julian waren weg, und ich war ziemlich sicher, daß er dem Fest
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