Geliebtes Monster
sehen, daß sie eine interessante Person war. So wie sie da saß, machte sie einen arroganten Eindruck. Nicht um eine Idee drehte sie den Kopf. Dennoch konnte ich mir vorstellen, daß sie uns genau unter Kontrolle hielt.
Die Fenster im Fond waren durch Vorhänge verdeckt. Uns gelang kein Blick in den Innenraum. Wer das tat, der hatte meiner Ansicht nach etwas zu verbergen.
Erst als wir das Heck erreichten, stellte Bill eine Frage. »Kommst du damit zurecht?«
»Nur schwer.«
»Auf was könnte sie warten?«
Ich hob die Schultern. »Auf Mehmet?«
»Auf den bestimmt nicht.«
Ich warf einen Blick zurück. Der Wagen stand noch immer am Straßenrand. Es traf auch niemand Anstalten, die Tür zu öffnen. Das Haus, in dem Mehmet wohnte, sah von außen düster und grau aus. Die Fenster hoben sich kaum von der Fassade ab, und Licht brannte hinter keinem, so daß das Haus unbewohnt aussah.
Bill hatte die Tür gefunden. Er war dabei in einer Nische verschwunden und winkte mir zu.
Als ich neben ihm stand, drückte er die Tür auf. In einem düsteren Flur fanden wir uns wieder. Ich ließ meinen Freund vorgehen und warf noch einen Blick zurück auf die Straße und zum Bentley hin.
Dort hatte sich nichts getan. Niemand war ausgestiegen. Der Wagen stand da, als wäre er für alle Zeiten abgestellt worden.
Auf wen wartete die Frau?
Ich glaubte nicht, daß sie zum horizontalen Gewerbe gehörte, das sagte mir einfach mein Gefühl, aber sie paßte hierher wie der Kühlschrank an den Nordpol. Bill hatte auf mich gewartet und seine kleine Lampe eingeschaltet. Er ließ den Kegel kreisen, der über fleckige Wände strich, den schmutzigen Boden berührte und dann zur Ruhe kam, als er einen Kreis auf die erste Stufe der Treppe malte.
»Hier scheinen die Bewohner tatsächlich alle tief und fest zu schlafen oder ausgeflogen zu sein. Wir können nur raten, wo dieser Mehmet wohnt.«
»Ganz oben.«
»Woher weißt du das?«
»Wir sind an Briefkästen vorbeigekommen. Seiner befand sich in der oberen Reihe, und ich habe noch soeben seinen Namen entziffern können. Dann geh mal vor.«
»Immer ich«, maulte der Reporter, fügte sich aber, und ich blieb immer zwei Stufen hinter ihm. Ich war regelrecht froh darüber, als wir in der ersten Etage hinter der Tür eine Kinderstimme vernahmen, auch wenn das Kind quengelte, weil es mit irgend etwas nicht zufrieden war. Das Haus war also nicht tot.
Nein, ganz und gar nicht. Nun hörten wir über uns die dumpfen Geräusche, in die sich Schreie mischten.
Da wußten wir, daß wir richtig waren…
***
Cilly hatte gar nicht richtig nachvollziehen können, was mit ihr geschehen war. Durch die Fensterlücke war dieses Untier in den Raum hineingefallen und hatte sie erwischt. Die Kraft und der plötzliche Aufprall hatten Cilly zu Boden geworfen. Sie war nicht mal in der Lage gewesen, ihre Arme als Deckung vor Körper, Hals oder Gesicht zu reißen und sah die Fratze aus geringer Entfernung über sich schweben. Zwar nur für Sekunden, doch der Eindruck war prägend.
Nie zuvor hatte sie ein ähnliches Monstrum gesehen mit einem derartigen Kopf oder Gesicht. Ob Haare oder Haut den gesamten Schädel umwuchsen, war nicht genau zu sehen. Es war mehr eine glatte Fläche mit einigen Löchern und Lücken, aber auch von dünnen Haaren bewachsen, die wie Strähnen auf dieser Haut lagen. Das Untier hatte eine leicht gekrümmte, kompakte Nase mit zwei Löchern, aus denen zischende Geräusche strömten. Das Maul war aufgerissen. Zwischen Lippen und Zähnen schimmerte weißgelber Geifer, und noch heller waren die pupillenlosen Augen. Sie schienen aus weißem, von hinten angestrahltem Glas zu bestehen und funkelten kalt wie Sterne in der Winternacht.
Es war der erste und auch der bleibende Eindruck, aber Cilly konnte darüber nicht mehr länger nachdenken, denn die Arme des Untiers bewegten sich, und die mächtigen, leicht gebogenen Krallen wühlten sich nicht nur in ihrer Kleidung fest. Sie drangen auch hindurch und malträtierten die Haut. Cilly schrie, weil sie die Schmerzen urplötzlich überfielen. Im nächsten Augenblick wurde sie in die Höhe gerissen, auf die Füße gestellt und herumgedrückt.
Dann bekam sie den Stoß.
Und der katapultierte sie im wahrsten Sinne des Wortes zurück. Mit der einen Körperhälfte prallte sie noch gegen die Tür, mit der anderen stieß sie gegen die Wand. Ihr Hinterkopf bekam einen heftigen Schlag ab, als er ebenfalls gegen die Wand hieb. Cilly sah zum erstenmal in ihrem
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