Geliebtes Monster
Geländer festhielt.
Zwischendurch wollte er eine Pause einlegen, aber Cilly war unbarmherzig. Sie schob ihn weiter, auch über die dunklen Treppen hinweg. Daß Mehmet dabei nicht stolperte und auf die Nase fiel, kam einem Zufall schon sehr nahe.
Sie schafften es. Die letzte Treppe war eng. Sie sah grau und brüchig aus, was auch an diesem staubigen Licht liegen konnte, das in die Tiefe sickerte.
»Los, den Rest!«
»Ja, schon gut.«
Sie schafften es. Die Luft war hier oben noch dicker und stickiger geworden, allerdings auch feuchter, denn das Mauerwerk hielt nicht mehr viel ab.
In einem kleinen Flur blieb sie stehen. Cilly sah zwei Türen, aber keine Namensschilder.
Mehmet, der nach Atem ringend an der Wand lehnte, deutete nach vorn.
»Da müssen wir rein.«
»Wo ist der Schlüssel?«
»Den gibt es, aber ich habe ihn nicht bei mir. Es muß offen sein.«
Cilly nickte. »Bleib da stehen«, sagte sie, bevor sie nach der alten Klinke faßte. Wenig später hatte sie die Tür aufgedrückt. Sie ärgerte sich darüber, daß ihr Herz so schnell klopfte. Das trat immer ein, wenn sie unsicher war oder etwas Böses erwartete, aber in diesem Fall wurde sie nicht angegriffen. Sie schaute in das Zimmer hinein und verglich es mit einer Bühnendekoration, die noch im Dunkeln lag und darauf wartete, daß die Scheinwerfer angeschaltet wurden.
Sie suchte noch nicht nach dem Schalter und horchte zunächst in dieses graue Dunkel hinein.
Nichts bewegte sich. Sie vernahm kein Geräusch. Eine schon bedrückende Stille umgab sie.
»Licht ist rechts, Cilly.«
»Das dachte ich mir.«
»Ist ‘ne billige Bude. Das Klo ist eine Etage tiefer. Hat man auch nicht mehr oft.« Er brabbelte noch weitere Sätze vor sich hin, die Cilly nicht mehr hörte, denn sie hatte mittlerweile das Licht eingeschaltet, ging allerdings nicht in die Wohnung hinein, sondern blieb auf der Schwelle stehen.
Sie wollte sich orientieren. Ihr Blick fiel direkt auf das schräge Fenster gegenüber. Dahinter drückte sich die Nacht gegen das Fenster. Trotz der schmutzigen Scheibe waren die sachten Bewegungen des Dunstes zu erkennen, der aus der Tiefe emporgestiegen war und lautlos über das Dach hinwegglitt.
Von einer Einrichtung konnte man nicht sprechen. Die Möbel waren zusammengewürfelt worden. Wer für so etwas noch Geld zahlte, war selbst schuld, diese Sachen fand man günstiger beim Sperrmüll.
Das Bett war eine ausgeklappte Liege, die nicht sonderlich bequem aussah. Jedenfalls wollte Cilly darauf keine Nacht verbringen. Ein Waschbecken sah sie ebenfalls. Es war noch ein richtiger ›Spülstein‹ aus Emaille, und der Kran schwebte hoch über ihm. Wenn sich der Mann Essen zubereitete, dann auf einem zweiplattigen Kocher, und setzen konnte er sich auf harte Stühle oder auf einen verschlissenen Sessel, der vor dem Fernseher stand.
Cilly gehörte nicht eben zu den verwöhnten Menschen. Für sie bedeutete das Leben Kampf, aber so hätte sie nicht hausen gewollt. Sie ging in die Wohnung hinein, als sie hinter sich die unsicheren Schritte des Mannes hörte.
Neben dem Bett blieb Cilly stehen. Mehmet torkelte über die Schwelle und breitete die Arme aus. »Na, siehst du? Das ist mein Reich.«
Cilly hatte sich einen Kaugummi in den Mund geschoben. »Sieht echt stark aus.«
»Das meine ich auch.« Er drückte die Tür wieder zu.
Das gefiel Cilly nicht. »Du hättest sie offen lassen können, denn ich will hier nicht übernachten.«
»Warum nicht?«
»Red nicht so einen Unsinn. Leg dich aufs Bett und schlaf deinen Rausch aus.«
»Und wenn ich nicht will?« fragte er störrisch.
»Was willst du nicht?«
Mehmet grinste breit. »Allein schlafen.«
»Dann hol dir einen Teddybär.«
Er mußte lachen, überanstrengte sich allerdings dabei und schwankte auf der Stelle.
Cilly wollte an ihm vorbei, aber so betrunken war er doch nicht.
Bevor die Frau ihn an der rechten Seite passieren konnte, schnellte sein Arm vor. Mit der Hand griff er hart zu, und Cilly spürte seinen kräftigen Griff am Unterarm.
»Was soll das?«
»Ich will, daß du bleibst!« erklärte er mit der Sturheit eines Betrunkenen.
»Ich will die Nacht nicht allein verbringen. Ich habe dir doch gesagt, daß ich schon immer scharf auf dich gewesen bin. Das muß doch in deinen Kopf gegangen sein.«
Mehmet produzierte ein kehliges Lachen. »Verdammt noch mal, hör auf! Du willst es doch selbst, sonst hättest du mich nicht begleitet. Du bist scharf, Cilly.«
»Und wie.«
Er verstand es
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