Geliebtes Monster
falsch und lachte wieder. »Na also, dann…«
»Ich bin so scharf wie ein Messer«, sagte sie und stieß ihn blitzschnell von sich.
Damit hatte Mehmet nicht gerechnet. Wäre er nüchtern gewesen, er hätte sich wohl noch fangen können. In seinem Zustand aber torkelte er zurück und hatte dabei Glück, daß er nach dem Stolpern nicht auf den Boden, sondern in seinen Sessel fiel, der diesem plötzlichen Druck kaum gewachsen war und gequält ächzte.
Mehmets Beine schleuderten hoch, der Kopf kippte gegen die Lehne und prellte wieder nach vorn. »He, warum bist du denn so sauer, Cilly?«
»Ich habe dir gesagt, daß ich dich nach Hause bringe. Ich wollte, daß du sicher ankommst und nicht von einem deiner Aliens überfallen wirst. Das ist nicht passiert, deshalb kann ich jetzt verschwinden.«
»Hör auf, Cilly. Sie werden noch kommen.«
»Ja, ja«, sagte sie und nickte. »Die kommen bestimmt. Ich sehe sie schon, sie warten, und ich werde jetzt…«
Was sie vorhatte, sagte sie nicht mehr, denn plötzlich hatte sich etwas verändert.
Genau hinter der Scheibe. Direkt an ihrem unteren Rand hockte das kompakte Wesen. Es war vom Umriß her nicht genau zu erkennen, sie sah nur die hellen Lichter, die beiden Augen, die durch das schräge Fenster in die Bude starrten.
Das war er.
Das war der Alien!
***
Die folgenden Sekunden erlebte Cilly wie zeitverzögert. Mehmet sah nichts, da er dem Dachfenster den Rücken zudrehte, schon halb eingeschlafen war und trotzdem noch vor sich hinbrabbelte.
Aber Cilly konnte die Bewegung des Aliens hinter dem Fenster genau erkennen.
Diese affenartige Gestalt hob den rechten Arm. Es sah so aus, als wäre ein Kran im Einsatz. Das Untier hatte ausgeholt und rammte den Arm wuchtig nach vorn.
Die Hand erwischte die Scheibe, die sowieso nicht besonders stabil war.
Deshalb rammte die Klaue hindurch. Das alte Glas zersplitterte mit einem hell klingenden Krachen, und plötzlich war der Weg für das Monstrum frei!
Und es war schnell. Es stieß sich ab, achtete nicht auf Scherbenreste, die noch im alten Kitt steckten. Es befand sich bereits auf dem Weg in das Zimmer.
Cillys Blick wurde durch die Gestalt des Untiers verdunkelt. Sie wollte weg, aber sie schaffte es nicht, denn das Monstrum war schneller, prallte gegen sie und riß sie um…
***
Wohl jeder Mensch kennt das Gefühl, zu spät gekommen zu sein. So ähnlich erging es mir auf der nicht eben kurzen Fahrt durch das abendliche London. Ich hatte einfach den Eindruck, daß wir es nicht rechtzeitig genug schafften, aber ich konnte nicht sagen, welchen Fehler wir begangen hatten, es lag einfach an der Zeit.
Bill war kein naiver Mann. Er hatte schon bemerkt, was da mit mir angelaufen war, und er erkundigte sich verwundert, weshalb ich so ruhig war.
»Das weiß ich auch nicht.«
»Lügen kannst du auch nicht.«
»Okay«, gab ich seufzend zu. »Ich will es dir sagen. Ich habe über deine Worte nachgedacht.«
»Toll. Ist auch etwas dabei herausgekommen?«
»Wie man’s nimmt. Vielleicht haben sie diesen Mehmet schon erwischt.«
»Wer ist sie?«
»Keine Ahnung. Die andere Seite. Das Monster. Oder die Person, die hinter ihm steht und es geschickt hat. Das kannst du dir aussuchen, Alter.«
»Nicht eben originell.«
»Das weiß ich.«
»Sonstige Beweise hast du nicht?«
»Nein.«
Bill hatte auch nicht gerade seinen gesprächigen Abend und hob die Schultern. Das gab mir Gelegenheit, mich gedanklich mit dem Fall zu beschäftigen, der eigentlich noch keiner war. Bisher liefen wir einem Phantom oder einem Verdacht hinterher. Wir hatten noch kein Monstrum gesehen und mußten uns einfach auf die Aussagen dieses Mehmet verlassen oder auf die anderen Zeugen, über die die Gazetten berichtet hatten.
Diesen Berichten glaubte ich auch nur bedingt. Oft genug wurde von unheimlichen Wesen und Begegnungen gesprochen, mit denen Menschen konfrontiert worden waren. Aber die endgültigen Beweise fehlten oft genug. So war den Spekulationen Tür und Tor geöffnet worden.
Ich stellte die Lehne zurück, was Bill mit einem mißbilligenden Blick quittierte. »Willst du schlafen?«
»Nur ruhen.«
»Aha.«
Ich blickte durch die Scheibe. An der linken Seite sah die Umgebung verschwommen und düster aus, weil sich feuchte Nebelfetzen um Baustämme herumdrehten oder zwischen den Lücken wie Tücher hertrieben. Der kleine Park verschwand sehr schnell. Die alten Gebäude umstanden die Straße wie kompakte Wächter, und der Verkehr um diese Zeit flaute immer
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