Geliebtes Monster
lassen?«
Sie hob die Schultern. »Kann schon sein, John. Aber mich darfst du nicht fragen. Ich werde nur hin und wieder eingeweiht. Von einer Talk-Show hat er mir nichts gesagt.«
»Okay, ich kenne ihn ja. Gibt es einen besonderen Grund, weshalb wir uns die Show anschauen sollen?«
»Nicht die ganze.«
»Aha, hört sich schon besser an.«
»Es geht um einen Mann, der dort auftritt und von seinen Erlebnissen berichten will.«
»Was hat er denn durchlitten? Ist ihm der Teufel begegnet, oder hat man ihn in einem Raumschiff entführt? Das ist im Moment ja groß in Mode gekommen.«
»Keines von beiden. Er wird der Moderatorin etwas von einer Begegnung berichten.«
»Die für uns interessant sein könnte?«
»Du nimmst mir das Wort aus dem Mund.«
»Also weißt du mehr?«
Bill wollte nicht mit der Sprache herausrücken. »Sagen wir, ein wenig mehr. Du wirst diesen Mehmet, so heißt der Mann, gleich hören, und dann kannst du dir eine eigene Meinung bilden. Ich jedenfalls stehe ihm nicht zu skeptisch gegenüber.«
»Gib mir einen Tip.«
»Monster.«
»Hör auf, Bill. Verarschen kann ich mich selbst.«
»Das habe ich nicht vorgehabt, ich meinte es ernst. Es hat etwas mit einem Monster zu tun.«
»Und woher weißt du das?«
Bill hob die Schultern. »Man hat so seine Beziehungen. Außerdem lese ich hin und wieder Zeitungen. Mehr möchte ich nicht sagen, um dich nicht zu beeinflussen. Alles andere können wir live erleben, und dann möchte ich dich gern hören.«
»Das nennt man reingelegt.«
»Überhaupt nicht, John. Es ist alles okay. Du wirst dich bestimmt wundern.«
»Das denke ich auch.«
Mein Freund war schon aufgestanden. Er half Sheila, das Geschirr zusammenzustellen. Auf meine Hilfe konnten die beiden verzichten, und ich ging dorthin, wo ich mich vor die Glotze setzen konnte, um auf den grauen Bildschirm zu schauen.
Eine Fernbedienung lag auch bereit, aber ich ließ sie liegen und wollte Bill die Dinge überlassen. Er kam dann auch und brachte eine Flasche Wein mit, die er schon geöffnet hatte.
»Ein Roter«, sagte er. »Erstklassig und aus einem der besten Anbaugebiete Frankreichs.«
»So muß das auch sein, wenn du schon mit Überraschungen ankommst, mit denen ich nie gerechnet habe.«
Bill schenkte ein. In der gebückten Haltung schaute er auf mich nieder.
»Ich will dir keine Flöhe ins Ohr setzen, John, aber wir sollten uns die Laberstunde anschauen.«
»Wie lange läuft das Ding denn?«
»Eine Stunde.«
»Zu lange.«
»Aber dieser Mehmet kommt als erster an die Reihe. Da habe ich mich schon erkundigt.«
»Himmel, das scheint dir ja mächtig auf der Seele zu liegen.«
»Darauf kannst du dich verlassen, John. Das lastet verdammt schwer auf mir.«
»Kennst du diesen Mehmet?«
»Nicht persönlich.« Bill schaute auf die Uhr. Er setzte sich und schaltete die Glotze ein. »Ich habe von ihm gehört. Über ihn ist bereits in mehreren Zeitungen berichtet worden. Das ist schon alles okay, John, und ich halte ihn nicht zu einem Spinner.« Ich hatte Bill zugehört und zugleich auf die Glotze geschaut. Noch lief die Werbung. Man wollte uns Zuschauern einhämmern, warum man zum Lebensglück unbedingt dieses oder jenes benötigte.
Bill hatte den Ton ausgeschaltet, so daß wir reden konnten. Auch Sheila hatte sich zu uns gesetzt. Sie trank ebenfalls Wein, der wirklich gut schmeckte und wunderbar samtig durch unsere Kehlen rann.
Die Werbung verschwand, und das Logo der Talk-Show wurde eingeblendet. Unterlegt mit Gesichtern von Leuten, die schon in früheren Sendungen aufgetreten waren.
Ich wußte, daß eine Frau die Show leitete. Sie hieß Tabea Torny oder nannte sich zumindest so. In der Medienlandschaft kam sie gut an, weil sie sich locker gab und durch diese Lockerheit auch den Menschen die Scheu vor der Kamera nahm.
Bill stellte lauter. Zwei Sessel, ein Tisch, eine Moderatorin, die zuerst die Zuschauer begrüßte und dann auf den Gast zu sprechen kam, der gleich auftauchen würde.
»Und jetzt hör zu«, sagte Bill.
Die lockere Antwort verschluckte ich mir, weil mir schon das ernste Gesicht meines Freundes aufgefallen war. Er schaute ziemlich gespannt, und auch ich bekam große Ohren, als Tabea Torny, eine Frau mit kurzen, hellen Haaren und einem dunklen Outfit aus Jacke und Hose, ihren ersten Gast vorstellte.
»Mehmet ist ein Mensch wie wir. Aber eines unterscheidet ihn von uns. Er ist froh, noch am Leben zu sein, denn er hat etwas erlebt, was durchaus mit dem Tod hätte enden
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