Geliehene Träume ROTE LATERNE - Band 5 (Rote Laterne Roman) (German Edition)
Gesicht!«
»Bin ich nicht!«, wies sie zurück. »Es geht mir - ganz gut.«
»Kommen Sie, ich bringe sie hinauf zum Sonnendeck. Dort werden Sie sich in einen Liegestuhl legen und sich brav ausruhen ...«
»Na, hören Sie mal!«, fuhr Lilly nun auf. »Sind Sie vielleicht mein Vater oder ein sonstiger Erziehungsberechtigter, oder wie sehe ich das?«
Er lächelte sie verzeihend an.
»Ich bin weder Ihr Vater noch Ihr,Bruder«, sagte er daraufhin, wobei in seinen Worten eine gewisse Bedeutsamkeit mitschwang, die Lilly jedoch in ihrem Zustand nicht wahrnahm. Normalerweise konnte sie eine ganze Menge vertragen, besonders, wenn es um Champagner ging. Sie konnte sich daher auch nicht erklären, wieso sie schon von ein paar Gläsern beschwipst war.
Zwar versuchte sie zu protestieren, als er einfach unter ihrem Arm griff und sie zur Treppe führte, doch dann ließ sie es geschehen. Ein Gefühl wohliger Behaglichkeit durchströmte Lilly, so dass sie sich beim Gehen direkt an ihn lehnte.
»So«, sagte er. »So ist es brav, Lilly. Wir haben es gleich geschafft.«
Auf dem Oberdeck sonnte sich das illustre Publikum in Liegestühlen. Mario hatte rasch einen freien Stuhl entdeckt, auf den er nun mit Lilly zusteuerte.
»Ach«, seufzte Lilly und ließ sich in den Liegestuhl fallen. Dann lehnte sie sich zurück und schloss die Augen. Ihr war ganz wirr im Kopf.
»Nun«, hörte sie Mario nach einer kleinen Weile mit leiser, zärtlicher Stimme sagen, »mir scheint, Sie haben etwas über den Durst getrunken, nicht wahr?«
»Nur Schampus - Verzeihung, Champagner«, antwortete Lilly mit geschlossenen Augen. »Ich bin mit meinem Bruder in der Bar gewesen. Dort hat uns so 'ne dicke Frau aufgegabelt.«
»Ah, Signorina die Gardibaldi, nicht wahr?«, fragte Mario.
»Ja, so heißt sie wohl«, murmelte Lilly. »Sie hat meinen Bruder und
mich zu Champagner eingeladen - zu echtem Champagner, verstehen Sie?«
»Natürlich. Trinken Sie ihn öfter?«
»Wen?«
»Champagner, meine ich«, sagte Mario.
»Jeden Tag«, log Lilly. »Er hängt mir manchmal schon zum Hals heraus. Trinken Sie mal jeden Tag Champagner und essen Sie jeden Tag Kaviar, da bekommen Sie das schnell über. Ich wollte einmal in meinem Leben schlichte und einfache Ferien machen. Aber ich fürchte, auf diesem Schiff geht das gar nicht.«
»Nein, ich glaube auch nicht, dass das geht«, sagte Colzoni. Er hatte einen zweiten Stuhl herangezogen und setzte sich nun hinein. »Erzählen Sie mir ein bisschen von sich, Lilly«, bat er sie.
Lilly Schmitt, das Mädchen aus dem Bordell, schloss die Augen. Was sollte sie ihm erzählen? Mit der Wahrheit würde sie wohl nicht gut ankommen. Nun hatte sie einmal mit dem Flunkern begonnen, und sie beschloss, auf diesem Weg weiterzugehen.
So tischte sie ihm eine Geschichte auf, die Münchhausen alle Ehre gemacht hätte. Sie gab sich und Ronny als Geschwisterpaar steinreicher Eltern aus. Sie erzählte, ihre Eltern besäßen eine große Modehauskette in Deutschland. Je mehr Lilly sich in ihre Phantasie hineinsteigerte, um so mehr begann ihr die Geschichte Spaß zu machen. Zudem bemerkte sie, dass Mario ihr zu glauben schien. Sein Gesicht war sehr ernst.
Und weil Lilly eben so schön im Fahrwasser war, beklagte sie sich auch gleich über ihr angeblich so luxuriöses und dennoch schrecklich langweiliges Leben.
»Ich kann mir vorstellen«, flüsterte sie, »dass es sehr schön ist, arm zu sein. Geld ist ein Fluch.«
»Nicht unbedingt«, bemerkte Mario lächelnd. »Geld regiert die Welt, und es ist daher wohl auch notwendig.«
»Schon«, gab sie gelangweilt zu. »Aber wenn man zuviel davon hat, so ist das auch wieder nichts. Das werden Sie wohl zugeben, oder?«
»Sehen Sie«, sagte er nun, »mir ergeht es ähnlich wie Ihnen. Meine Eltern besitzen eine Automobilfabrik.«
»Tatsächlich?«, fiel ihm Lilly ins Wort. »Dann sind Sie ja auch reich!«
»Leider«, sagte er und senkte den Kopf. In Lilly begann ein Lämpchen zu blinken. Das Wörtchen Geld konnte sie nämlich elektrisieren. Ja, es machte sie direkt nüchtern. Sie richtete sich auf und betrachtete ihn.
Er sah ungewöhnlich gut aus, war sehr charmant und besaß obendrein noch den Vorzug, reich zu sein.
Na, ist das nichts? dachte Lilly und träumte in wenigen Augenblicken einen wunderschönen Traum. Ja, sie hatte sich in diesen jungen Italiener Hals über Kopf verliebt. Zu Hause konnte sie sich Liebe nicht leisten. Sie war für sie immer ein Fremdwort gewesen. Doch nun war ihr
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