Geliehene Träume ROTE LATERNE - Band 5 (Rote Laterne Roman) (German Edition)
so wie die anderen.«
»Hallo, hallo!« rief die pausbackige Tina, die am Nebentisch saß. »Unsere Schampus-Lilly spuckt ja heute wieder die größten Töne! Spielt sich hier als Gräfin auf und versaut uns auf der anderen Seite die Preise!«
»Halt die Klappe, du olle Schaluppe«, sagte Lilly zu der rundlichen Tina. »Meine Tarife mache ich!«
Da kicherte Tina.
»Bei deinen mageren Preisen darfst du ja ganz schön ran an die Buletten!«
»Na und?«, antwortete Lilly ziemlich trocken. »Bisher hat mein Unterleib das jedenfalls ausgehalten. Während auf dir ja nur noch alte Knacker herumkrabbeln. «
»Also, das ist doch .. .«
»Keinen Streit, Mädchen!«
Die vollbusige Oma Schmitz war hinter der Theke erschienen. Sie rückte ihre platinblonde, hoch aufgetürmte Perücke zurecht. »In meiner Bude herrscht Frieden«, sagte sie. »Sonst fliegt ihr alle raus. Wenn ihr euch kloppen wollt, dann geht runter zur alten Fabrik. Ist das klar?«
»Sie hat angefangen«, sagte Lilly. »Sie stinkt mir bis zum Geht-nicht-mehr.«
»Was meinst du, wie du mir im Magen liegst! Kleb dir doch 'ne Briefmarke auf den Hintern und hau ab nach Hamburg. Oder geh raus an die Autobahn, damit man deine dumme Visage nicht dauernd sehen muss.«
»Blödes Weib!«, knurrte Lilly und ließ sich von Oma Schmitz einen Kognak bringen.
»Gibst du mir auch einen aus?«
»Ach, Ronny. Ich hab' keine Flöpse mehr.« Sie nahm das Portemonnaie aus ihrem Handtäschchen. »Sieht alles so mager aus!«
»Unsere Gemeinsamkeit«, sagte der junge blonde Mann tiefsinnig.
»Wie bitte?«
»Unsere Geldbeutel leiden wohl beide chronisch unter Magersucht.«
Da musste Lilly lächeln.
»Allem zum Trotz reicht's noch für eine Flasche Schampus!«, rief sie. Dann beugte sie sich zu Ronny hinüber. »Den Weibern werd' ich es schon zeigen! Die dürfen nicht glauben, dass ich nichts verdiene. Du, wenn Lilly rangeht und loslegt, dann ist was geboten!«
Ihre Vorliebe für französischen Champagner hatte ihr den Beinamen »Schampus-Lilly« eingetragen. Das Geld reichte zwar nicht mehr für die Flasche, aber Lilly schlich hinter die Theke und redete auf Oma Schmitz ein.
»Morgen kriegst du's doch. Morgen kommt der Geier von den Städtischen Werken. Der lässt mindestens hundertfünfzig oder mehr bei mir.«
»Lilly, ich kenn' dich doch«, sagte Oma Schmitz klagend. Sie seufzte und klimperte mit ihren dunklen, künstlichen Wimpern. »Naja, ich bin ja nicht so. Will mal Nachsicht üben. Aber wehe dir, wenn du dich wieder eine Woche lang nicht bei mir sehen lässt! Du, ich geh' rüber, ich rück' dir auf die Bude!«
»Schon gut, sei nicht so laut. Das brauchen die doch nicht mitzukriegen.«
»Lilly trinkt Schampus!«, hieß es dann. »Die hat sich heute wieder fett gemacht und das kurz vorm Ersten.«
»Ich möchte bloß mal wissen«, sagte Tina kriegerisch, »mit welchen Sonderleistungen die sich ihr Geld verdient.«
»Ich spiele mit den Kerlen Häschenhüpf! Du doofe Nuss«, sagte sie zu Tina. Die anderen Mädchen lachten, und Tina wurde krebsrot.
»Wenn ich dir draufkomme, wie du das machst, dann geh' ich zur Sitte und zeig' dich an. Dann nehmen sie dir deinen Bockschein weg. Dann kannst du neben Ronny im 'Fettnäpfchen' mit dem Hintern wackeln.«
»Rutsch mir den Buckel runter«, sagte Lilly und prostete Ronny zu. Danach herrschte eigentlich Frieden, denn Tinas Beschützer war gekommen und hatte sie mit einem Wink, hinausbefohlen.
»Ja, ja«, nahm Ronny das alte Thema* auf, »einmal reich sein und Geld haben! Ach, Lilly, das wäre was!«
»Vom Träumen ist noch niemand reich geworden«, bemerkte Lilly tiefsinnig. Sie betrachtete die Perlen, die in dem Sektglas nach oben stiegen.
»Kommst du heute Abend in die Show?«, fragte ihr Begleiter.
»Mit was denn?«, fragte sie und machte die Geste des Geldzählens.
»Ich hab' doch ein paar Freidrinks. Davon kannst du was haben. Aber du musst meine neue Nummer sehen, unbedingt! Du, die ist Klasse!«
»Na, ich bin ja gespannt«, meinte Lilly zweifelnd. »Also, das letzte Mal, die Sache mit diesen Ketten, als du wie 'n Paradiesvogel über die Bühne gewackelt bist, das fand ich furchtbar! «
»Du, das war meine beste Nummer!«
»Na ja, ich kann mir was Besseres vorstellen. Die sollen doch lieber das Licht mal brennen lassen, wenn du die Hose endgültig runterlässt.« Daraufhin musste sie kichern, und Ronny lief ein bisschen rot an. Für Lilly war er ein echter Kumpel. Ihm konnte sie vertrauen, ihm erzählte sie
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