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Gelinkt

Gelinkt

Titel: Gelinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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umarmte ihn zur Beruhigung.
    Ja, für Harry war alles vollkommen gewesen. Für ihn war es einfach. Aber Fiona war ziemlich am Ende ihrer Kräfte. Sie war verzweifelt, deprimiert, selbst hier draußen auf dem See

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    mit einem Mann, der sie liebte. Depressionen hatte sie herausgefunden, nahmen keine Rücksicht auf logische Wahrheit. Sie waren wie eine dunkle chemische Wolke, die unversehens auf sie herabsank und sie in eine gallertartige Masse verwandelte. Es half nichts, sich einzureden, es sei Unsinn. Sie hatte ihre Kinder und ihre Ehe aufgegeben. War es also paranoid anzunehmen, daß Bernard die Kinder inzwischen gelehrt hatte, sie zu hassen? Sie war ihnen weggelaufen, diese Verstoßung mußte sie verletzt haben. Wie konnte sie hoffen, wieder Frau und Mutter zu werden?
    Die Kinder waren das schrecklichste Opfer, das sie gebracht hatte, aber es gab noch andere Wunden. Sie hatte Freunde und Verwandte verloren, die sie jetzt als Verräterin verachteten.
    Und wofür das alles? Sie war außerstande, die Ergebnisse ihrer Tätigkeit, ihren Beitrag einzuschätzen. Langsam war ihr der Verdacht gekommen, daß sie das auf dem Altar von Bret Rensselaers Ehrgeiz geopferte Lamm war. Brets Wunden waren körperlich, sein Ansehen war unbeschädigt. Bret Rensselaer war der Gewinner. Silas und der D.G. desgleichen.
    Drei alte Männer hatten sie hierher geschickt, und diese drei würden die Sieger sein. Was kümmerte sie diese Herren? Sie war ersetzbar, so nützlich und ebenso schnell weggeworfen wie ein Papiertaschentuch.
    Fiona war die Verliererin. Fiona, ihr Mann und ihre Kinder.
    Sie würden sich nie von dem erholen, was sie getan hatte. Gab es irgendeinen politischen oder, wie Bret es lieber gehabt hätte, wirtschaftlichen Sieg, der das wert war? Die Antwort war: nein. Manchmal war sie versucht, wenigstens das bißchen zu retten, was ihr noch blieb. Versucht, die Chance eines glücklichen Lebens mit Harry zu ergreifen, versucht, ihre Londoner Bindungen aufzugeben und sich als einfache Hausfrau in Ost-Berlin einzuleben. Aber das half nur auf kurze Zeit. Der wirkliche Verlust waren Bernard und die Kinder. Von ihnen wollte sie geliebt und gebraucht werden.

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    »An was denkst du?« fragte Harry.
    »Ich dachte an mein Haar«, sagte sie. »Vielleicht sollte ich’s mir kürzer schneiden lassen.« Männer nahmen einem immer ab, daß Frauen an ihr Haar dachten.
    Er lächelte und nickte. In der letzten Zeit schien sie ziemlich gealtert zu sein; beide waren sie’s. Ein Urlaub im Donaudelta würde ihnen beiden guttun.
    An diesem Abend traf sie sich mit Werner Volkmann. Sie wartete allein in ihrer altmodischen Wohnung, aus der man auf die Frankfurter Allee hinabsah, die breite Hauptstraße, die letztlich nach Moskau führte und vielleicht aus diesem Grunde einst Stalinallee genannt worden war. Es war üblich, daß Agenten, die ständig von einer Seite zur anderen wechselten, nicht ins Büro kamen. Mit ihnen traf man sich privat. Sie sah auf die Uhr: Werner verspätete sich.
    Sie versuchte zu lesen, war aber zu nervös, sich zu konzentrieren. Ihr fiel auf, daß sie sich Mühe gab, den Pariser Platz nicht anzusehen, der über ihrem Bett hing. Er hing da in einem glatten schwarzen Ebenholzrahmen. Eines Abends hatte sie das Bild abgenommen und den Wechselrahmen geöffnet, um Kirchners kitschigen Frohsinn gegen einen abstrakten Druck auszuwechseln, der mehr nach ihrem Geschmack war.
    Zu ihrem Entsetzen tauchte hinter der Straßenszene ein Farbdruck von Lochners Jüngstem Gericht auf. Diese Darstellung der die Sünder in der nächsten Welt erwartenden Schrecken war für mittelalterliche Begriffe zwar noch verhältnismäßig milde, aber für die einsame, übermüdete und gequälte Fiona war der unverhoffte Anblick dieser wahnsinnigen und verzerrten Gestalten und
    Schreckensdämonen entsetzlich. Es war, als wäre sie dazu bestimmt zu entdecken, was hinter der Gemütlichkeit der Berliner Straßenszene auf der Lauer lag. Mit zitternden Händen hatte sie das Jüngste Gericht wieder unter den Kirchner in den Rahmen gelegt, aber seitdem war ihr die gequälte Welt, die

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    unter dem munteren Pariser Platz lauerte, immer gegenwärtig.
    Werner bat seine Verspätung zu entschuldigen. Er war vom Regen durchweicht und müde. Er meinte, das sei die Überanstrengung, gleichzeitig sein Bankgeschäft liquidieren zu wollen und Lisl Hennings Hotel zu führen. Doch Fiona fragte sich, ob es nicht der Streß war, Doppelagent zu sein. Werner war

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