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Gelinkt

Gelinkt

Titel: Gelinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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weißt du das?«
    »Ich habe sie eines Abends zusammen gesehen. Ich wäre fast über sie gestolpert in dem Gedränge auf der Waterloo Station. Sie nahmen den Zug nach Epsom.«
    »Und du hast sie erkannt?«
    »Natürlich. Du hast mir doch mal ein Foto von ihm gezeigt.
    Die Frau war blond und sehr groß.«
    »Ja, das ist sie.« Es schmerzte wie ein Dolch im Herzen.
    Natürlich hatte sie es gewußt, aber es schmerzte noch mehr, wenn sie es von Harry hörte.
    »Du kennst sie«, sagte er.
    »Ich bin ihr begegnet«, sagte Fiona. »Sie ist hübsch.«
    »Ich will dich nicht elend machen, aber wir sollten wirklich mal darüber sprechen. Es ist Wahnsinn, einfach so weiterzumachen wie bisher.«
    »Warten wir ab, was passiert.«
    »Das sagst du schon, seitdem wir uns kennengelernt haben.
    Weißt du, wie lange das her ist?«
    »Ja … Nein … Lange jedenfalls.«
    »Ohne dich zu leben ist für mich die Hölle. Aber dir geht’s nicht schlecht, wenn du von mir getrennt bist«, sagte er tadelnd und hoffte auf Widerspruch, aber sie zuckte nur die Achseln.
    »Wir haben nicht viel Zeit, Fiona.«
    Sie küßte seine Wange. »Harry, wir sind auch so glücklich genug. Und wir haben eine Menge Zeit.« Die gleiche Unterhaltung hatten sie schon oft gehabt.

    - 385 -
    »Nicht, wenn wir eine Familie gründen wollen. Nicht viel Zeit.«
    »Ist es das, was du willst?«
    »Das weißt du doch. Unsere Kinder, Fiona, das ist alles, was ich will.«
    »Würdest du herkommen und hier leben?« Sie prüfte ihn jetzt.
    »Ich habe schon hier gelebt.«
    »Das ist nicht das gleiche, als auf die Dauer hier zu leben«, sagte sie.
    »Höre ich einen Mißton in der marxistischen Harmonie?«
    »Ich stelle eine Tatsache fest.«
    »Du brauchst dich nicht zu rechtfertigen, Liebling.«
    »Du hast gesagt, du wärst ein Marxist«, erinnerte sie ihn. Es war unfair, ihm etwas in Erinnerung zu rufen, was er nur einmal während einer erhitzten Debatte gesagt hatte. »Ja. Ich habe gesagt, daß ich Marxist war. Ich war vor langer Zeit Marxist.« Das Segel begann zu flattern.
    »Aber nicht mehr?«
    Er zog das Großschot, um das Segel auszurichten, ehe er den Kopf zu einer Antwort wandte. Er war ein guter Segler, schnell und geschickt im Umgang mit dem Boot und allem, was er tat. »Ich habe angefangen, Fragen zu stellen«, sagte er.
    »Und?«
    »Das ist alles. Der Marxismus ist kein Glauben für Leute, die Fragen stellen.«
    »Ganz gleich, wie die Antwort ausfällt, stimmt’s?«
    »Ja, ganz gleich. Eine Frage beinhaltet die nächste. Tausend Fragen folgen. Nichts kann tausend Fragen aushalten.«
    »Nichts? Nicht einmal die Liebe?«
    »Mach dich nicht lustig über mich.« Sie waren jetzt nahe dem Ufer. Alles Wald, kein Mensch weit und breit. »Fertig zum Halsen«, sagte Harry in der tonlosen Stimme, deren er sich bei nautischen Kommandos bediente.

    - 386 -
    Mit vorsichtigen Schritten ging sie nach vorn, löste das Bugsegel und paßte auf, wie er das Ruder herumwarf. Als sie durch den Wind drehten, schlug der Baum über das Deck, und instinktiv zog sie den Kopf ein. Sie zog den Klüver ein und setzte das Bugsegel, ehe sie nach hinten auf ihren Sitzplatz zurückkehrte. »Spielst du niemals ›Tun wir so, als ob‹?« fragte er, während er sich wieder hinsetzte. Auch das war einer seiner kindischen Züge. Auch das Fliegen war kindisch. Vielleicht war er sogar aus Abenteuerlust in die Kommunistische Partei eingetreten.
    »Nein«, sagte sie.
    »Ich schon. Wie wir hier sitzen, nur wir beide allein im Boot, und über den Müggelsee segeln, tue ich so, als wärst du eine verführerische Mata Hari und ich der von dir verzauberte heroische junge Bursche, der gekommen ist, dich zu retten.«
    Sie sagte nichts. Die Richtung dieser Unterhaltung behagte ihr überhaupt nicht, aber es war besser abzuwarten, worauf er hinauswollte.
    »Von finster gesinnten Bösewichten verfolgt, verheißt das andere Ufer Sicherheit. Ein Ort, wo wir in ewigem Glück wohnen und unsere Familie gründen können.«
    »Klingt wie In einem anderen Land«, sagte Fiona, ohne allzu viel Begeisterung für die Vorstellung zu bekunden.
    »Hast du das gelesen?«
    »Sie rudern über einen See in die Schweiz. Hemingway. Ja.
    In der Schule. Vielleicht habe ich’s daher.«
    »Die Frau stirbt«, sagte Fiona. »Sie erreichen die Schweiz, aber die Frau stirbt im Krankenhaus.« Sie drehte sich um und sah ihn an. Er sah so elend aus, daß sie fast gelacht hätte.
    »Mach keine Witze«, sagte er. »Alles ist vollkommen.« Sie

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