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Gelinkt

Gelinkt

Titel: Gelinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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Person? Nun, jetzt war es zu spät.
    Er schenkte sich Tee nach, trank ihn und schlug sich das Rätsel aus dem Kopf. Bald, überlegte Silas, würde der D.G. in Pension gehen und damit die letzte Beziehung, die Silas noch zum Department hatte, abreißen. Silas fand diese Aussicht düster. Der D.G. stand auf, schnippte ein paar Kuchenkrümel von seiner Krawatte und sagte: »Bitte versprechen Sie mir, daß Sie jemanden diese Bäume untersuchen lassen, Silas. Es ist ein Käfer, wie Sie wissen.«
    »Ich glaube nicht, daß ich es ertragen könnte, diese Ulmen zu verlieren. Sie müssen über zweihundert Jahre alt sein. Mein Großvater vergötterte sie. Er hat das Haus fotografieren lassen, als sie erst halb so groß waren wie jetzt. Damals waren es vier.
    Angeblich ist eine vom Sturm entwurzelt worden in der Nacht,

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    als mein Großvater starb.«
    »Niemals habe ich so sentimentalen Stuß gehört. Ulmen kann kein Sturm entwurzeln, die Wurzeln reichen zu tief.«
    »Meine Mutter hat mir erzählt, sie fiel um, als Großvater starb«, sagte Silas, als hinge die Familienehre von der Wahrheit dieser Behauptung ab.
    »Seien Sie nicht so ein Narr, Silas. Manchmal muß man Sachen opfern, die man liebt. Es muß getan werden. Sie wissen das.«
    »Kann sein.«
    »Ich werde Mrs. Samson zu Bret rüberschicken, wenn sie rauskommt. Kalifornien. Was halten Sie davon?«
    »Ja, hervorragend«, sagte Silas. »Da wird sie vor jeder Einmischung geschützt sein. Und Bernard Samson auch?«
    »Nein. Es sei denn, Sie …?«
    »Nun ja, ich glaube schon, Henry. Wenn wir Samson hierbehalten, wird er brüllend durch die Gegend rennen und sie suchen und uns nur Ärger machen. Schicken Sie ihn auch rüber, und lassen wir beide Brets Sorge sein.«
    »Na schön.« Die Standuhr, die Silas in dieses Zimmer hatte bringen lassen, weil er fürchtete, die Handwerker würden sie beschädigen, schlug fünf. »Ist es wirklich schon so spät? Ich muß gehen.«
    »Also, überlassen Sie mir die Abwicklung der Sache, Henry?« Silas wollte das ausdrücklich gesagt haben, nicht daß man ihm hinterher Vorwürfe machte. »Es gibt eine Menge zu tun. Ich muß eine Reproduktion von Mrs. Samsons Gebiß machen lassen, und so was dauert eine Ewigkeit.«
    »Ich überlasse alles Ihnen, Silas. Wenn Sie Geld brauchen, wenden Sie sich an Bret.«
    »Ich nehme an, der Sonderfinanzierungsmechanismus wird demontiert werden, wenn sie erst mal in Sicherheit ist«, sagte Silas.
    »Nein. Wir werden ihn als Schmiergeldfonds für den

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    zukünftigen Bedarf bestehen lassen. Es hat uns soviel gekostet, diesen Apparat einzurichten, daß es sinnlos wäre, ihn jetzt aufzuheben.«
    »Ich dachte, Samsons Detektivarbeit hätte vielleicht gerade von der finanziellen Seite dieser Operation ein bißchen zuviel enthüllt.«
    »Samson wird in Kalifornien sein«, sagte der D.G.
    schmunzelnd. »Je länger ich’s bedenke, desto besser gefällt mir das. Volkmann sagt, Mrs. Samson sei in letzter Zeit stark gealtert. Wir werden ihren Mann hinschicken, damit er sich um sie kümmert.«

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24
    Ost-Berlin, Müggelsee, Mai 1987
    »Wie großartig, daß wir den ganzen Müggelsee für uns haben«, sagte Harry Kennedy. Er saß an der Ruderpinne einer privaten Sechs-Meter-Segeljacht, Fiona fuhr als Besatzung mit. An heißen Sommertagen war der See voller Boote, aber heute war es kühl, und sie allein waren dort unter Segel. Es war später Nachmittag. Die hinter den ausgefransten und in der kühlen Luft schrumpfenden Wolken sinkende Sonne sorgte für fließendes goldenes Licht und plötzliche Schatten, aber wenig Wärme. Der Wind wurde stärker und drückte stetig, mit massiver Kraft gegen das Segel, so daß der Rumpf das Wasser mit lautem Zischen durchschnitt und ein gekräuseltes weißes Kielwasserband zurückließ.
    Fiona saß weit vorn, eingehüllt in ihre hellgelbe Kapuzenjacke und einen dicken Guernsey-Pullover, dazu noch Harrys Schal umgebunden, aber sie fröstelte trotzdem. Die breite Ausdehnung des Sees war ihr angenehm, denn so konnte sie still dasitzen und hatte nicht die Arbeit des Drehens, Lavierens und Brassens, die Harry so gern machte. Oder vielmehr sie so gerne machen sah. Er schien die Kälte gar nicht zu spüren, wenn er segelte. In Freizeitkleidung wurde er ein anderer Mann. Der kurze rote Anorak und die Jeans ließen ihn jünger aussehen; das war der kühne Mann, der Flugzeuge über Wüste und Tundra flog, der Mann, der es hinter dem Schreibtisch nicht aushielt. Sie hatte sich

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