Gelinkt
sagte, daß sie zu Bret gehen und ihm sagen sollte, daß sie ihre Meinung geändert habe. Aber jedesmal, wenn sie mit ihm sprach – und lange bevor es ihr gelang, die Unterhaltung an den gewünschten Punkt zu führen –, überzeugte er sie von neuem davon, daß es ihre vornehmste Pflicht sei, ihrem Lande und dem Department zu dienen. Selbst der Director-General hatte von diesem Plan, sie als Agentin in den aktiven Einsatz zu bringen, als Agentin von höchster Wichtigkeit sogar, mit ganz ungewöhnlichem Ernst gesprochen. Dabei würde sich natürlich zeigen, daß ein nachrichtendienstlicher Coup einer Frau so gut gelingen konnte wie nur irgendeinem Mann. Das, mehr als alles andere, hatte ihr geholfen weiterzumachen, wenn der Mut ihr sank. Seit Anfang des Jahres hatten die Streitigkeiten und Meinungsverschiedenheiten zwischen ihr und Bernard zugenommen. Das war nicht allein Bernards Schuld, auch er hatte es nicht gerade leicht gehabt. Die »Operation Reisezug«
war eine Katastrophe gewesen. Drei von ihren eigenen Leuten waren dabei getötet worden, jedenfalls lautete so das Gerücht.
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Max Busby hatte eine Menge Material in seinem Gedächtnis gespeichert, und Max Busby kam nicht zurück. Bernard sprach nicht darüber, aber wer ihn kannte, merkte wohl, daß ihn die Sache ganz schön erschüttert hatte.
Bernards Einsatz im Außendienst »ruhte« jetzt offiziell, und Bret Rensselaer hatte – vielleicht in dem Bemühen, sie zu trösten – durchblicken lassen, daß entschieden worden sei, Bernard für den Rest seines Lebens an den Schreibtisch zu setzen. Nicht in der Deutschland-Abteilung. Dort saß inzwischen Dicky Cruyer, ein eitler und oberflächlicher Mann.
Eigentlich hätte die Beförderung Bernard zugestanden, und er hätte für den Posten mehr Sachverstand und Intelligenz mitgebracht, doch Dicky hatte Erfahrung im
Verwaltungsapparat sowie die persönlichen Eigenschaften und gesellschaftlichen Verbindungen, die das Department bei der Besetzung leitender Stellungen bevorzugt berücksichtigte.
Bernard meinte, alles, was Dicky auszeichne, sei die richtige Schulkrawatte, aber Bernard war, was solche Dinge anging, vielleicht ein bißchen zu empfindlich. Sie hatte sich gefragt, ob Bret Bernards Beförderung ihres geheimen Auftrags wegen blockiert hatte, aber Bret hatte ihr versichert, die Entscheidung sei höheren Orts gefallen. Sie war überzeugt, daß sich ihr unerquickliches Familienleben bessern würde, wenn Bret ihr gestattete, sich ihrem Mann anzuvertrauen. Unter den gegebenen Umständen konnte sie ihre Abwesenheiten nicht immer rechtfertigen. Es war schon schlimm genug gewesen, als sie sich nur ab und zu mit Martin Euan Pryce-Hughes traf. Jetzt gab es zahllose geheime Beratungen mit Bret, und sie hatte eine Menge zu büffeln. Das Material dieser Studien aber durfte Bernard keinesfalls unter die Augen bekommen. Bernard war nicht schwer von Begriff. Sie hätte nicht viele Fehler zu machen brauchen, um ihn merken zu lassen, was gespielt wurde, und der D.G. hatte sich persönlich der Mühe unterzogen, ihr zu sagen, daß, wenn Bernard entdeckte, was
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geplant war, die ganze Aktion abgeblasen werden mußte.
Armer Bernard. Armer Billy. Arme Sally. Sie saß auf der Bank am Bahnsteig eins und dachte an sie alle. Sie fühlte sich vollkommen verausgabt und krank. Das Weinen löste die innere Spannung, tat aber nichts zur Besänftigung ihres Schmerzes. Sie weinte noch etwas in der beherrschten, unaufdringlichen und würdevollen Weise, auf die zu weinen sie im Internat gelernt hatte, und starrte durch die Bahnhofshalle, wo Leute zu den Vorortzügen eilten oder voneinander Abschied nahmen. Sie sagte sich, daß deren Sorgen vielleicht größer waren als ihre, aber das half nichts.
Sie fühlte sich bei dem Gedanken eher noch
niedergeschlagener.
Das Wetter tat nichts, sie aufzuheitern. Es war einer dieser elend kalten und regnerischen Tage, die so häufig den englischen Sommer unterbrechen. Jeder hatte sich in Mantel und Schal verpackt, und die kalte, feuchte Luft trug das Ihre zu Fionas fröstelnder Trübsal bei. Züge kamen an; Züge fuhren ab. Eine junge Frau fragte nach der Zeit, und ein älteres Paar ging in lautstarkem Streit vorbei. Tauben und Spatzen schwebten von den Stahlträgern des Daches herunter, angelockt von einem bärtigen Mann auf einer Bank in der Nähe, der ihnen Krümel streute. Sie saß da und sah den Vögeln zu, und so verging, wie es ihr schien, viel Zeit.
»Entschuldigen Sie,
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