Gelinkt
Madam.« Fiona blickte auf und sah zwei Männer: einen uniformierten Eisenbahnpolizisten und einen Mann in Zivil. »Haben Sie vor ein paar Minuten mit einer jungen Frau gesprochen?« Der Polizist stellte die Frage.
Zuerst dachte sie, man würde ihr bedeuten, nicht länger hier herumzulungern, sie wegen Prostitution verhaften oder sonst irgendwelchen Ärger machen, aber dann wurde ihr klar, daß der Mann in Zivil kein Polizist war. »Ja?«
»In dunkelblauem Mantel mit rotem Seidenschal? Dunkles Haar, ein hübsches Mädchen.« Jetzt sprach der Mann im
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Kamelhaarmantel. Er hatte mit einer höflichen Gebärde, die sie überraschte, den Hut gezogen, und ihr fiel auf, wie fest er diesen in der sonnengebräunten Hand hielt. Er schien nervös zu sein.
»Sie hat mich nur nach der Zeit gefragt. Sie hat den Zug nach Southampton genommen«, sagte Fiona. Eine hallende und unverständliche Lautsprecherdurchsage unterbrach sie, und sie ließ erst den Lautsprecher ausreden, ehe sie fortfuhr: »Das hat sie jedenfalls gesagt.«
»Sie hatte eine große Tasche aus grünem Kunststoff mit Schulterriemen«, sagte der Mann.
Das war, entschied sie, als Frage zu nehmen. »Sie hatte eine Tasche«, sagte Fiona, »Einzelheiten sind mir nicht aufgefallen.«
»Ist bei Ihnen alles in Ordnung, Madam?« sagte der Polizist.
Ihre geröteten, tränennassen Augen waren ihm aufgefallen.
»Mir fehlt nichts, danke«, sagte sie mit fester Stimme. Sie blickte auf ihre Uhr und erhob sich, um zu zeigen, daß sie ohnedies eben weggehen wollte.
Der Polizist nickte. Er wollte ihr glauben. Er hatte genug zu tun. »Es war die Tochter dieses Herrn«, erklärte der Polizist.
»Mein Name ist Lindner, Adam Lindner. Ja, sie ist erst sechzehn, von zu Hause weggelaufen. Sie sieht älter aus.« Er sprach mit weichem amerikanischen Akzent, den sie nicht lokalisieren konnte.
»Wir werden in Southampton anrufen«, sagte der Polizist energisch. »Sie halten sie dann dort fest, wenn der Zug ankommt.«
»War irgend jemand bei ihr?« fragte der Vater in gebieterischem Ton.
Fiona sah ihn an. Er war hochgewachsen und athletisch.
Ende Dreißig ungefähr. Sein Schnurrbart war üppig, aber sorgfältig geschnitten. Er hatte traurig brütende Augenbrauen und in einem wettergegerbten Gesicht eine irgendwie
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plattgequetschte Nase. Er war gutaussehend, ohne zurechtgemacht zu sein, wie die zähen Burschen aus Hollywood, deren Fotos sie im Internat über ihrem Bett an die Wand gepinnt hatte. Seine Kleidung war teuer und zu perfekt, in dem Stil, den Ausländer wählten, wenn sie englisch aussehen wollten. Ein wunderschöner Kamelhaarmantel, eine Krawatte mit Paisley-Muster, deren Knoten eine durch den Hemdkragen gesteckte goldene Nadel hielt, und glänzende Oxford-Schuhe. »Ja«, sagte sie, »es war ein Mann bei ihr.«
»Ein Schwarzer?«
»Vielleicht. Ich habe nicht darauf geachtet. Ja, ich glaube.«
»Das macht es etwas einfacher für uns«, sagte der Polizist.
Ein Windstoß fuhr in weggeworfene Zeitungen und andere Abfälle und bewegte sie genug, um die Vögel zu verscheuchen.
Die Unterhaltung stockte, wie englische Unterhaltungen stocken, wenn man sich innerlich auf das delikate und komplizierte Ritual des Verabschiedens vorbereitet.
»Wir haben Ihre Telefonnummer, Mr. Lindner«, sagte der Polizist. » Sobald wir aus Southampton etwas hören, meldet sich der Wachhabende bei Ihnen.« Das war alles. Der Polizist hatte noch anderes zu tun.
»Wenn das alles ist?« sagte Fiona und wandte sich zum Gehen. »Ich brauche ein Taxi.«
»Ich fahre nach Maida Vale«, sagte der Mann zu Fiona.
»Kann ich Sie irgendwo absetzen?« Sie wußte noch immer nicht, woher sie diesen Akzent kannte. Sie hielt ihn für einen Seemann der Handelsmarine oder einen Erdölarbeiter, der jetzt die Taschen voll Geld hatte und sich freute, es mit vollen Händen auszugeben.
»Danke, das ist nicht nötig«, sagte sie.
»Doch, bitte. Es regnet in Strömen, und ich würde mich freuen, wenn Sie mir Gesellschaft leisten wollten.« Beide Männer sahen sie fragend an. Es ärgerte sie, daß Männer von Frauen immer Erklärungen verlangten, als wären Frauen
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Bürger zweiter Klasse. Trotzdem erfand sie eine Erklärung.
»Ich habe jemanden zum Zug begleitet. Ich wohne in Marylebone. Ich werde ein Taxi nehmen.«
»Marylebone, da komme ich doch durch.« Und dann:
»Danke schön, Constable. Sie haben mir sehr geholfen.«
»Kinder machen komische Sachen«, sagte der Polizist zum
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