Gelinkt
Hilfe.
»Ich nehme an, Sie wissen, daß man mir für Notfälle diese
direkte Verbindung mit einem Führungsoffizier gegeben hat«,
sagte sie in so sanftem, verheißungsvollem Ton, als wolle sie
einer Zuhörerschaft erwartungsvoller Fünfjähriger ein Märchen
erzählen.
»Ich weiß «, sagte er. Er wandte sich um und lächelte sie
gönnerhaft an. Mit diesem Lächeln bedachte er alle Frauen, die
seine Genossinnen sein wollten. » Und das finde ich ganz
prima.«
»Ist es auch. Und ich werde mich dieser Verbindung
bedienen. Wenn Sie oder Chesty oder sonst einer von diesen
tölpelhaften Amateuren aus der Handelsdelegation sich irgend
jemandem von den Leuten in meiner Umgebung nähern, um
die zu überwachen oder irgendwelche faulen Tricks
auszuprobieren, geht’s euch an die Eier. Ist das klar, Martin?« Sie lachte fast über das Gesicht, das er dazu machte: offener
Mund, Pfeife in der Hand, stierer Blick. Von dieser Seite
kannte er sie kaum. Für ihn spielte sie gewöhnlich die
gehorsame Hausfrau.
»Haben Sie verstanden?« fragte sie, und jetzt war ihre
Stimme hart und verächtlich. Sie wollte eine Antwort, denn
wenn er etwa meinte, daß sie nur Spaß machte, wollte sie ihn
eines Besseren belehren.
»Ja, Fiona«, sagte er kleinlaut. Wahrscheinlich hatte er
Anweisung, sie nicht zu verärgern. Oder er wußte, was die Zentrale mit ihm machen würde, wenn Fiona sich über ihn beschwerte. Wenn er sie verlor, war er alles los, was ihm lieb und teuer war. »Und lassen Sie die Finger von Bernard, ja? Ihr seid Amateure, Sie sind nicht in Bernards Klasse. Der ist schließlich schon seit seinen Kinderjahren im echten Agentenführungsgeschäft. Leute wie Chesty und Sie ißt der zum Frühstück. Wir können von Glück sagen, wenn er nicht
schon Lunte gerochen hat.«
»Ich werde die Finger von ihm lassen.«
»Bernard hat es gern, wenn die Leute ihn für blöd halten.
Auf die Weise führt er sie an der Nase herum. Wenn Bernard
jemals Verdacht schöpfte … ich wäre erledigt. Er würde mich
auseinandernehmen.« Sie hielt inne. »Und die Zentrale würde
fragen, warum.«
»Vielleicht haben sie recht.« Gleichgültigkeit heuchelnd,
stand er auf, seufzte laut und sah über die Netzgardinen aus
dem Fenster, als versuchte er die Straße zu sehen, die der Bote
herunterkommen würde.
Man konnte den alten Mann wohl bedauern. Dieser
glänzend begabte Sohn eines Vaters, der es stets verstanden
hatte, seine lauthals verkündeten sozialistischen
Überzeugungen mit dem Genuß von Wohlleben und
politischen Ehren zu verbinden, hatte sich niemals damit
abgefunden, daß sein Vater ein skrupelloser und charmanter
Schurke mit unwahrscheinlichem Glück gewesen war. Martin
war seinen politischen Überzeugungen mit verbissener
Ehrlichkeit ergeben. Fleißig, aber ohne Feuer bei seinen
Studien und humorlos und anspruchsvoll in seinen
Freundschaften. Als sein Vater starb – in einem Luxushotel in
Cannes, im Bett mit einer reichen Dame der höheren
Gesellschaft, die daraufhin reumütig zu ihrem Gemahl
zurückkehrte –, hatte er ihm, dem einzigen Kind, ein kleines
Erbe hinterlassen. Martin hatte alsbald seine Stellung in einer
öffentlichen Bibliothek gekündigt, um sich im Selbststudium daheim politische Geschichte und Wirtschaftswissenschaft beizubringen. Nur mit Mühe konnte er von seinen geringen privaten Einkünften den Lebensunterhalt bestreiten. Das wäre noch schwieriger gewesen, hätte er nicht bei einer politischen Versammlung die Bekanntschaft eines schwedischen Gelehrten gemacht, der ihn davon überzeugte, daß man der UdSSR helfen mußte, wenn einem die Sache des Proletariats, des internationalen Sozialismus und des Weltfriedens am Herzen
lag.
Der grausamste Streich, den ihm das Schicksal spielte, war
vielleicht, daß Martin, dessen Vater in der Oberschicht, in die
er aufgestiegen war, wie die Made im Speck gelebt und ihn auf
die teuersten Schulen geschickt hatte, sich einrichten mußte auf
die Lebensbedingungen jener Arbeiterklasse, aus der sein Vater
aufgestiegen war. Seine Rebellion hatte sich ganz im stillen
vollzogen. Die Russen gaben ihm die Möglichkeit, unbemerkt
an der Zerstörung einer Gesellschaft zu arbeiten, an der ihm
nichts gelegen war. Sein verschwiegenes Wissen gab ihm die
Kraft, die Entbehrungen zu ertragen, zu denen ihn seine
Verhältnisse zwangen. Die verborgenen Russen und, natürlich,
die heimlichen Frauen. In der Tat befriedigte alles die gleiche
Begierde, denn wenn kein Ehemann oder Geliebter zu betrügen
war, gewährten
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