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Gelobtes Land: Meine Jahre in Stalins Sowjetunion (German Edition)

Gelobtes Land: Meine Jahre in Stalins Sowjetunion (German Edition)

Titel: Gelobtes Land: Meine Jahre in Stalins Sowjetunion (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eugen Ruge , Wolfgang Ruge
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wie ich bald feststellen musste, für sowjetische Verhältnisse üppig war), stiegen wir in einen kantinenähnlichen Keller hinab. Mich wunderte, dass Hans die äußerst bescheidene Zeche mit Deutscher Mark bezahlte; erst in der Folgezeit erfuhr ich, dass man in sogenannten Intouristhotels mit ausländischer Währung bezahlen musste. Dabei bewunderte ich, wie gewandt sich Hans auf Russisch mit dem Ober verständigte. Gleichermaßen beeindruckt von seinen Sprachkenntnissen waren wir, als am nächsten Morgen das Telefon in unserem Zimmer klingelte und Hans in den Hörer rief: Ja nitschewo ne ponimaju, towarischtsch! – «Ich verstehe nichts, Genosse!»
    Unser Zug nach Moskau ging erst am Abend des nächsten Tages, sodass wir uns am Vormittag in der Stadt umschauen konnten. «Die Wiege der Oktoberrevolution!» Dass mich das Fluidum der Newa-Metropole – anders als bei späteren Besuchen – kaum fesselte, lag nicht nur am Regen, sondern vor allem daran, dass mir ununterbrochen kleine Schocks verpasst wurden. Als wir uns bei starkem Regen in einem Hausflur unterstellten, sah ich, wie ein Mann aus einem Bündel Zeitungspapier ein Stückchen Zucker verlor und wie sich der nächste Passant sofort bückte, das Würfelchen blitzschnell aufhob und – in den Mund steckte. Schlimm sah ein zerlumpter, beinamputierter Invalide aus, der auf einem Holzbrett mit Rädern vorbeirollte, indem er sich mit Holzklötzchen, die er in den Händen hielt, vom Boden abstieß. Hatten in Deutschland nicht sogar die ärmsten Versehrten einen Rollstuhl?
    Am Abend stiegen wir in den Nachtzug nach Moskau. Als wir am nächsten Morgen ausstiegen, schien wieder die Sonne. Die «Hauptstadt der Welt» – stoliza mira – lag zu unseren Füßen.
    Tatsächlich habe ich den Atem dieser Stadt vom ersten Moment an als außer-, ja als «übereuropäisch» empfunden. Der Bahnhofsvorplatz mit Fahnen, Riesenporträts und unverständlichen Losungen, der gegenüberliegende Kasaner Bahnhof mit seiner orientalisch anmutenden Architektur, die weithin schimmernden Zwiebelkuppeln der orthodoxen Kirchen, von denen es angeblich sorok sorokow , also 40 mal 40, geben sollte – über alledem lag ein Hauch von Exotik: Bärtige Droschkenkutscher boten schreiend ihre Dienste an und schlugen ihre in seltsame Bögen eingeschirrten Pferde. Altersschwache Straßenbahnen, an deren Plattformen Menschentrauben hingen, klapperten und klingelten sich über den damals noch unebenen, geradezu hügeligen Platz. Vor den Bahnhöfen, inmitten von Truhen und Säcken lagen, hockten, dösten und schliefen Hunderte von Menschen, denen man ansah, dass sie schon längere Zeit unterwegs waren. Steppjacken, Halbpelze, Kaftane, bestickte Westen, Pluderhosen, Fellmützen, Turbane, abgeschabte Rotarmistenhelme, Kopf- und Schultertücher, vor sich hin starrende Greise, stillende Mütter, spielende, lachende und sich streitende Kinder. Woher diese Menschen kamen und wohin sie wollten, konnte ich mir nicht erklären. Erst als ich viel später mit der Sowjetwirklichkeit vertraut wurde, kam mir der Verdacht, dass viele dieser nach Moskau Gespülten aus den Hungergebieten geflüchtet waren und selbst nicht wussten, was ihnen der nächste Tag bringen würde.
    Eines der wenigen Autos, die vor dem Bahnhof standen, ein alter Ford mit schäbigem Leinenverdeck, wartete auf Hans. Der Fahrer verstaute das Gepäck, und wir fuhren durch die verwinkelte Innenstadt zum Sitz der Komintern.
    Ganz anders als heute war Moskau 1933 noch eine Art um den Kreml gruppiertes, riesiges Dorf: Holzhäuser, von der Zeit geschwärzt und gebeugt, verschachtelten sich ineinander zu unterbrochenen Ketten, die sich in der Ferne verloren. Hier und dort gab es Inseln und Streifen aus Stein: heruntergekommene Adelssitze mit verwüsteten Gärten, scheckige Mietskasernen, halb zerfallene Villen an beiden Stadtringen und auf den Ausfallstraßen.
    Als fremdartig empfand ich auch die überall prangenden Losungen sowie die schwarzweißen Großporträts der Politbüromitglieder, die, wie ich später begriff, Relikt und Fortsetzung der orthodoxen Heiligenbildtradition darstellten.
    Einigermaßen ortskundig machte Hans uns auf revolutionäre Sehenswürdigkeiten aufmerksam: Hier die Ljubjanka, der Sitz der Tscheka*, da das «Haus der Gewerkschaften»*, in dem damals Lenins Leichnam aufgebahrt war, und dort schließlich die Auffahrt zum Roten Platz – man sah schon den Spasski-Turm und die Zinnen der Kremlmauer.
    Das erste russische Wort, das ich

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