Gelöscht (German Edition)
den dichteren Teil des Waldes ab. Doch Ben sagt immer noch nichts und ist offensichtlich in Gedanken versunken. Seine Miene ist düster und verschlossen.
»Was ist mit Miss Fern?«, frage ich schließlich.
Er seufzt. »Also gut, dann sprechen wir zuerst über sie. Ich habe dir doch erzählt, dass mein Dad Grundschullehrer ist, oder? Ein anderer Lehrer an seiner Schule ist mit Ferny – so nennen sie sie – in dasselbe College gegangen und sie haben sie gestern Nachmittag im Krankenhaus besucht.«
»Geht’s ihr gut?«
»Sie hat mehrere Knochenbrüche, aber sie wird wieder gesund werden. Sie ist in irgendein Traktionsteil eingebunden.«
»War es wirklich ein Autounfall?«
»Es passierte in einem Auto. Aber es war kein Unfall. Anscheinend hat sie jemand von der Autobahn abgedrängt.«
Ich keuche auf. »Waren es Lorder?«
Er schüttelt den Kopf. »Nein, die Sache wird gerade untersucht.«
»Aber wer wäre sonst zu so etwas fähig?«
Ben zuckt mit den Schultern. »Ich habe keine Ahnung. Ich dachte einfach nur, dass du das wissen willst.«
»Das war alles? Ich muss nämlich zurück und …«
»Kyla, hör mal. Ich habe dir versprochen, dass ich nichts tun werde, ohne vorher mit dir darüber zu sprechen. Deswegen wollte ich dich treffen.«
»Worauf willst du hinaus?«, frage ich unbehaglich.
Irgendetwas stimmt nicht.
»Darauf.« Er zieht seinen Ärmel hoch und zeigt mir sein Levo – ein heller Metallring mit Digitalanzeige im grünen Bereich: 7,8. Warum ist sein Wert so hoch? So glücklich sieht er gar nicht aus. Dann greift er mit seiner anderen Hand an das Armband und zerrt fest daran. Sein Gesicht verzieht sich vor Schmerz.
»Hör auf! Was tust du da?«
»Schau«, sagt er und hält mir sein Levo hin. Sein Wert ist weiterhin stabil: 7,6. Doch das Zerren hätte sein Level eigentlich im Sturzflug sinken lassen müssen.
»Das verstehe ich nicht. Wie hast du das gemacht?«
»Ich habe noch eine von Aidens Pillen genommen und – ganz egal, was ich tue – mein Level sinkt nicht. Ich habe alles Mögliche probiert, aber er bleibt immer oben.«
»Und?«
»Verstehst du das nicht? Die Pillen blockieren die Verbindung zwischen dem Levo und meinem Gehirn. Das Gerät kann entfernt werden, ohne dass ich einen Blackout bekomme.« Bens Gesicht glüht und seine Augen leuchten vor Aufregung. Wie bei jemandem mit hohem Fieber.
Oder wie bei jemandem, der auf Drogen ist.
»Das weißt du nicht«, entgegne ich, aber ich spiele gedanklich diese Möglichkeit durch. Hat er recht? Das Levo liest Gefühle, indem es mit einem Chip kommuniziert, der ins Gehirn eingesetzt wurde. Ist man wütend oder traurig, sinkt der Level, und die Durchblutung des Gehirns wird kurzzeitig unterbrochen, was wiederum den Blackout verursacht. Wenn der Wert noch weiter sinkt, wird der Blutfluss dauerhaft gestoppt, und man bekommt Krampfanfälle und stirbt schließlich. Aber was passiert, wenn sich der Wert nicht ändert?
»Doch! Es passt alles zusammen: was Aiden über die RT gesagt hat und darüber, dass sie Levos entfernen. Die Pillen blockieren die Verbindung zwischen Hirn und Levo. Es muss so sein!« Während Ben meine Hände in seine nimmt, sucht er meinen Blick. »Denk mal darüber nach, Kyla: Wie wäre es, wenn wir einfach nur wir selbst sein könnten? Und das fühlen, was wir wollen?«
Er zieht mich an sich und umarmt mich. Seine Nähe lässt mein Herz schneller schlagen, meine Haut prickelt, mein Körper will Dinge, von denen er noch gar nichts weiß. All die Dinge, die ich wegen meines Levos vermeiden soll. Wie wäre es, ohne das Gerät zu leben? Wir könnten frei sein und für immer zusammenbleiben. Niemand könnte behaupten, wir würden unseren Integrationsprozess gefährden. Es wäre für uns möglich, so glücklich oder traurig zu sein, wie wir wollen.
Aber das ist nur ein schöner Traum. Hier wäre kein Platz für uns – nicht in dieser Welt.
Ich löse mich von ihm. »Was hast du vor, Ben?«, flüstere ich.
»Ich werde ein paar von diesen Pillen nehmen, dann mein Levo abschneiden und es zerstören.«
Angst steigt in mir auf.
Nein, Ben.
»Was? Bist du wahnsinnig?«
»Nein. Ich war wahnsinnig, das zu glauben, was mir erzählt wurde. Jetzt bin ich vernünftiger als je zuvor. Aiden hatte recht, obwohl er nicht weit genug denkt. Es ist falsch, was sie mit uns gemacht haben. Sieh dir an, was gestern passiert ist. Wenn Jazz und Amy nicht da gewesen wären …«
Er bringt den Satz nicht zu Ende. Und auch ich möchte nicht daran
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