Gelöscht (German Edition)
Mahnmal,
Robert Armstrong
darin eingemeißelt, der Turm …
»Du schläfst doch wohl nicht gerade ein?«, fragt Amy und ich schrecke auf.
»Siehst du, so schlecht fahre ich offenbar gar nicht, wenn meine Mitfahrer sich sogar trauen, ein Nickerchen zu machen«, witzelt Jazz.
Mac demontiert die Rückbank.
»Sollen wir spazieren gehen?«, fragt Jazz und zwinkert Amy zu. »Aber du bist wahrscheinlich zu müde dafür, oder?«, wendet er sich mit Nachdruck an mich.
»Ja, du siehst wirklich müde aus«, stimmt Amy ihm zu. »Wir bleiben nicht lang weg.« Sie gehen die Straße hinab, in Richtung Fußweg.
»Wenn ihr nicht wollt, dass ich mitkomme, warum sagt ihr das dann nicht einfach?«, murmle ich.
Mac späht hinter dem Auto hervor und lacht. »Hol dir was zu trinken, wenn du willst.«
»Nein danke.« Ich muss an das selbst gebraute Bier vom letzten Mal denken.
»Im Kühlschrank ist auch Limo«, sagt Mac mit einem Grinsen, das mir verrät, dass er genau weiß, was ich gerade gedacht habe. »Nimm dir auch was zu essen, wenn du magst. Oder mach den Fernseher an. Bei den beiden dauert es sicher ein bisschen.« Er lacht wieder.
Übersetzung: Steh hier nicht blöd rum und sieh mir dabei zu, wie ich an diesem Schrotthaufen herumschraube.
Na gut. Ich gehe ins Haus. Tatsächlich stehen im Kühlschrank Getränke, die harmloser aussehen als die braunen Flaschen im Schrank. Ich bin hungrig nach den hunderttausend Runden, die ich heute während der Mittagspause gerannt bin, um meinen Level oben zu halten. Ben ist dazugekommen, aber er hat diesmal nicht gefragt, warum ich laufe. Vielleicht hört er auf, mich zu löchern, wenn ich ihm auf bestimmte Dinge nicht antworte.
Ich finde Käse und ungleich dick geschnittenes Brot: selbst gebacken? Ich strecke meinen Kopf zur Tür hinaus und rufe: »Willst du ein belegtes Brot?«
»Klar«, antwortet Mac. »Bin gleich fertig.«
Also belege ich für uns ein paar Brote. Ich stehe nicht besonders auf Fernsehen, aber ich schalte das Gerät ein und zappe mich durch alle drei Kanäle. BBC 1 zeigt irgendeine dämliche Comedy-Show mit einer Lachnummer, die ich nicht verstehe. Auf BBC 2 läuft eine Gartensendung darüber, wie man den Ertrag seines Schrebergartens optimieren kann, und auf BBC 3 laufen die Nachrichten und der Wetterbericht, die ich mir ansehe, während ich esse. Die nächsten Tage soll es Regen geben. In diesem Herbst fällt die Ernte gut aus. Dann wird irgendetwas über die Umgebung von London berichtet. Sie zeigen Bildmaterial von Straßen, die wir auf dem Weg vom und zum Krankenhaus entlanggefahren sind, aber hier sehen sie völlig anders aus. Die ausgebrannten Gebäude sind nicht mehr da und auch die Wachen sind verschwunden.
»Worüber denkst du nach?« Mac steht in der Tür.
»Na ja, ich kenne diese Straße, aber sie wirkt im Fernsehen ganz anders, viel sauberer und ordentlicher.«
Mac zieht eine Augenbraue hoch und setzt sich. »In den Nachrichten zeigen sie in erster Linie schöne Orte und glückliche Menschen.«
Ich runzle die Stirn. »Aber dann sind es ja gar keine richtigen Nachrichten, oder? Die Menschen sind schließlich nicht immer glücklich. Dieses Gebäude – das dort hinten, schau mal –, das war nur noch ein Gerippe, als wir vor einer Woche daran vorbeigefahren sind. So schnell kann das nicht repariert worden sein.«
Mac nimmt sich ein Brot. »Aber so macht es doch einen viel schöneren Eindruck, oder etwa nicht?«
»Das ist dämlich.«
»Da kannst du einen drauf lassen.« Er lacht wieder.
Ich schaue zu Mac, der in aller Seelenruhe kaut. Er verhält sich nicht wie ein Erwachsener und spricht auch nicht so. Andererseits ist er vielleicht auch noch nicht so alt, schätze ich.
»Was? Spuck aus, was immer dir da gerade durchs Hirn schwirrt«, sagt er mit amüsiertem Gesicht.
»Hast du dieses Brot selbst gebacken?«
»Ja.«
»Schneidest du dir deine Haare selbst?«
»Ja.«
»Wie alt bist du?«
»22.«
Also ist er tatsächlich noch nicht so alt oder jedenfalls jünger, als ich dachte. Sechs Jahre älter als ich. Und da schießt mir etwas durch den Kopf:
sechs Jahre älter als ich.
Das Mahnmal an der Schule ist vor sechs Jahren errichtet worden.
»Warst du auf der Lord William’s Schule?«, frage ich, ohne darüber nachzudenken. Das muss der Schlafmangel sein.
»Ja, war ich.«
»Kanntest du Robert Armstrong?«
Er blickt ruhig zu mir herüber und etwas huscht über sein Gesicht. Das Lächeln verschwindet aus seinen Augen. Er steht auf und holt
Weitere Kostenlose Bücher