Gemischte Gefühle
Liberty-Club fast alles erlaubt. Hier dreht sich alles nur um eins: Sex. Ausgesucht attraktive, meist nur mit Sonnenöl bekleidete Hostessen kümmern sich rund um die Uhr um die Bedürfnisbefriedigung ihrer männlichen (und gelegentlich auch weiblichen) Gäste. Selbst das Einwickelpapier der Zuckerwürfel, die man zum Morgenkaffee reicht, zeigt statt der üblichen Tierkreiszeichen einschlägige Stellungen. Das Wahrzeichen des Clubs ist die Liberty-Statue, die allerdings zwei Besonderheiten hat: Sie ist nackt, und sie ist höchst lebendig (siehe auch unser Titelbild).
Daneben gibt es noch das sehr exklusive, sehr chice und sehr teuere Tahiti, das idyllische, altenglische Twickenham in the Willows, den exotischen Stadtdschungel von Chinatown und Bagdad, ein orientalisches Märchen aus 1001 Nacht. (Es ist allerdings davon abzuraten, 1001 Nacht dort zu bleiben, das wäre unerschwinglich.) Logischerweise kann man in dieser Mini-Welt auch „Weltreisen“ buchen, das sind Rundreisen durch alle Feriengebiete.
Worauf beruht nun der Erfolg dieser elektrischen Kunstwelt?
Die Antwort darauf gibt uns Christoph Baron von Rossi, Nachfahr eines im 18. Jahrhundert nach Bayern eingewanderten italienischen Baumeisters. Der sympathische junge Rossi ist der Social Relations Supervisor von Holiday World.
„Das Geheimnis ist“, sagt er lächelnd, „daß wir perfekt sind. Unsere Gäste bekommen alles geboten, was sie von einem Urlaub erwarten: Sonne, immer blauer Himmel, hervorragendes Essen, gute Musik, viel Abwechslung – und gleichgesinnte Miturlauber, denn unsere Ferienzonen sind ja sozialpsychologisch segmentiert. Dazu viele weitere Annehmlichkeiten, z. B. keinen Ärger mit dem Trinkgeld. Weil es bei uns kein Trinkgeld gibt. Keiner kann sich Bevorzugungen erkaufen. Der Service ist für alle gleich – nämlich perfekt.“
Etwas anderes hat der Urlaubs-Baron taktvollerweise verschwiegen: die Sicherheit. Politische Unruhen sind nicht zu erwarten, da die starke pro-westliche Regierung der Philippinen die Zügel fest in der Hand hält. Beträchtliche Geldsummen von Tour Futur sorgen dafür, daß das so bleibt; dies ist ein offenes Geheimnis. Vor der Insel kreuzende Patrouillenschiffe schützen vor indonesischen Hochseepiraten.
Aber die Sicherheit hat noch mehr Aspekte. Auf Holiday World braucht kein Urlauber damit zu rechnen, in Seitengassen einen Schlag auf den Schädel zu bekommen wie etwa in Kenia, Rio oder Jamaica. Die Gäste sind, anders als z. B. in Italien oder Spanien, sicher vor Streiks; und sie wissen, daß, im Gegensatz zu anderen „Traumzielen“ wie etwa Barbados, eine wirklich schöne Landschaft und wirklich freundliche Leute auf sie warten.
Unser Fazit: Wenn Sie ein organisierter Urlaub nicht stört, ist Holiday World eine 100prozentige Empfehlung. Mehr darüber erfahren Sie im nächsten Heft.
(Anmerkung: Eine farbige Anzeigenseite in der Zeitschrift, in der dieser Bericht erschien, kostete nach dem Stand vom 1.1.1996 ca. 150 000 DM. Tour Futur bucht jährlich etwa 50 Seiten. Grund genug, sich bei diesem großzügigen Kunden mit einem netten Artikel zu revanchieren. Ganz unparteiisch natürlich.)
Etüden auf der Beeinflussungsklaviatur, unterbrochen von leichten Mißtönen.
Tahiti war etwas für Leute mit sehr viel Kies. Dafür war es aber auch perfekter als perfekt. Dagegen verblaßte sogar der übertriebenste Reiseprospekt. Es war eine Mischung aus Südsee-Paradies, Seychellen, Kleinen Antillen, Mauritius und was es derlei kostspieliger Traumziele noch mehr gibt. Alles war sehr sophisticated und weitläufig. Dazu ein kräftiger Schuß französischer Lebensstil. Die Küche war kreolisch, das Personal auch. Sogar das einfachste Zimmermädchen sah so aus, daß man sich sofort vergessen konnte. Und die Drinks waren die besten, die man auf unserem schönen Planeten erhalten konnte.
Ich genoß die Szene, während ich zu meinem Sprechzimmer ging. Leidenschaftliche Augensexorgien mit wohlgeformten, moralisch liberal eingestellten Meeresgöttinnen verkürzten mir den Weg aufs angenehmste. Ich erfreute mich lebhaft an dem Paradoxon, daß sich die gutbetuchten Damen bei ihrer Badekleidung so wenig betucht zeigten.
Trotz stärkster Versuchungen kam ich pünktlich zur Sprechstunde. Mein Sprechzimmer war eine Terrasse auf dem Verwaltungsbungalow; ausgestattet war es mit Korbmöbeln, einem Video-Data-Terminal und einer herrlichen Aussicht.
Arnold Klamm erwartete mich, was meine gute Laune kurzfristig etwas
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