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Gemischte Gefühle

Gemischte Gefühle

Titel: Gemischte Gefühle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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Stadtverwaltung Rationierungsbons ausgegeben hat, die nur für alteingesessene Stadtbewohner gelten, krepieren die Bauern schon direkt vor der Hoteltür. Habe einige nette Motive gesehen (bei einer Rauferei um einen schimmligen Reisfladen hat ein Jugendlicher einem Greis das linke Auge ausgekratzt). Habe mich geärgert, daß ich die Kamera im Hotel gelassen habe.
    Zurück im Hotel, mußte ich feststellen, daß diese Flaschen noch nicht einmal in der Lage sind, ihren Gästen ein Steak vorzusetzen. Mußte mich mit Spiegeleiern auf Toast begnügen. Die Eier schmeckten schauderhaft nach Fischmehl, ich habe die Hälfte stehenlassen und eine geharnischte Beschwerde angebracht. Doch diese sturen Hunde kann nichts beeindrucken. Der schiefnasige Kellner hat nur mit der Achsel gezuckt und abgeräumt. Als ich gleich darauf den Speisesaal verließ, sah ich ihn in einer Ecke meinen Teller leeren. Na, wohl bekomm’s!
     
    31. Mai
     
    Ich bin rechtschaffen müde. Dieser Tag hatte es in sich. Gleich am Morgen sind Terry Marx und ich in die Umgebung von Dakka gefahren, auf der Suche nach lohnenden Motiven. Ich glaube, ich habe erstklassiges Material bekommen.
    Etwa neun Kilometer außerhalb trafen wir in einem Dorf mit unaussprechlichem Namen auf ein Notaufnahmelager. Ein unerwarteter nächtlicher Platzregen hatte die Wege des Lagers zum Teil bis in Kniehöhe unter Wasser gesetzt. Die Leute hocken wahllos in irgendwelchen schlammgefüllten Löchern; das Wasser steht ihnen bis zum Hals – doch sie rühren keinen Finger, um sich selbst zu helfen. Dazwischen liegen die Leichen der Verhungerten, keiner kümmert sich um ihre Beseitigung. Sicher, das gibt Bilder, doch etwas mehr „action“ wäre mir lieber. Schließlich kann ich hier nicht so lange warten, bis die Cholera ausbricht (und Anzeichen dafür gibt es). Schön und gut: Die Mutter, die in der vergangenen Nacht ihr Baby nicht schnell genug aus den einströmenden Fluten geborgen hat und nun, das ertrunkene Mädchen im Arm, in ihrem Dreckloch sitzt und vor sich hinstarrt, ist vielleicht als Einstieg für mein Feature nicht schlecht. Aber eigentlich hatte ich mir mehr erhofft …
    Da lobe ich mir die Überschwemmung letztes Jahr in Zentralafrika. Der Dauerregen prasselte 63 Tage lang herunter und die Wassermassen, die sich durch das Hochtal wälzten, über dem wir unser Standquartier bezogen hatten, besaßen eine solche Wucht, daß sie selbst die riesigsten alten Baumknorren mit sich fortrissen. Damals drehte ich für die kanadische Gesellschaft TT-TV. Besonders begeistert war man in Ottawa von meinem Kurzbericht – ich möchte es eine Impression nennen – über das Knäblein, das versuchte, seinen vom Wasser hin weggeschwemmten Hund zu retten. Ich stand unmittelbar neben dem Buben, als er selbst abgetrieben wurde. Mit dem Zoom habe ich alle Details haarscharf mitbekommen. Beinahe hätte ich dafür auch noch einen Preis erhalten; das sind eben Bilder, wie sie das Publikum sehen will.
    Ich glaube, wir müssen weiter ins flache Land hinein, um genügend Stoff für unsere Berichte zu erhalten. Auch Terry ist nicht recht zufrieden; vorhin schimpfte er, das sei doch alles Routinequatsch. Unmittelbar vor der Hauptstadt sieht eben alles noch viel zu geordnet aus. Das hat mir auch Pierre Mireau bestätigt, den ich auf dem Rückweg vom Notaufnahmelager traf. Pierre ist noch einer von den Altmodischen. Er arbeitet immer noch mit der ARI, hat ein komplettes Team dabei, wie wir es seit Jahren nicht mehr kennen – und er arbeitet mit einem Reporter zusammen, dem es aber hier in Bangladesh zu blöd ist, mit vor Ort zu fahren. So hat Pierre freie Hand beim Drehen; getextet wird dann am Abend in der Hotelbar.
     
    1. Juni
     
    Mann, bin ich geschlaucht.
    Gestern abend bin ich mit Pierre und Hajime in einer Bar der Altstadt versackt. Hajime hat mir ein paar Tips gegeben, wo für meine Feature-Story eventuell noch etwas an Bildteppich zu holen ist. Ich habe zwar den Verdacht, daß er selbst dort schon fleißig abgegrast hat, aber ich denke, wir werden uns dennoch nicht ins Gehege kommen.
    Als angenehme Überraschung stellte sich heraus, daß Pierre Mireau vor sieben Jahren ebenfalls in Saudi-Arabien war, als die amerikanische Eingreiftruppe die Ölquellen besetzte. Komisch, daß wir uns damals nicht gesehen haben. Andererseits herrschte dort damals ein solches Durcheinander …
    Saudi-Arabien war ein toller Job. Es war mein erster Versuch als Freelancer. Ich hatte in der International Prop Oil

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