Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gemischte Gefühle

Gemischte Gefühle

Titel: Gemischte Gefühle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
Vom Netzwerk:
melancholisch.
    „Du siehst ihn auf dem Monitor deiner Lernmaschine in Teleskopvergrößerung hundertmal deutlicher.“
    „Ich möchte den Himmel in natura sehen!“ Ihre Arme reckten sich wie von selbst in die Höhe.
    „Du beunruhigst mich, Spica. Im Totalen Miteinander, das unser Ordnungsprinzip darstellt, ist für solche Individualismen kein Platz. Das weißt du genau!“ Am liebsten hätte Partner sie angefaßt, geschüttelt. Aber er hielt sich zurück.
    „Ich möchte nur ein einziges Mal den Himmel sehen, eine ganze Nacht lang.“
    „Aber du hast doch den Himmel schon in natura gesehen!“
    „Ich kann mich nicht mehr daran erinnern.“ Ihre Hände fielen kraftlos auf die Armlehnen zurück.
    „Weil du damals noch ein Kind warst, Spica.“
    „Ich weiß, daß ich oben geboren bin. Das vergesse ich nicht, nie. Geboren bin ich oben!“ Das Mädchen richtete sich stolz auf.
    „Jetzt ist unsere Welt hier unten“, beschwor sie Partner. „Hier im Monument stehen wir in der vollen Bewährung des neuen Harmoniemodells!“
    „Ich weiß“, kicherte Spica respektlos.
    „Warum lachst du dann?“
    „Weil du manchmal aussiehst wie ein Held in einem Uralt-Comic. Splatsch, wumm, krash!“
    Ein Synthesizer-Fanfarenstoß aus den Lautsprecherboxen ließ Spica aufspringen. Gleich darauf meldete sich der gebieterische Baß Dracos: „Achtung, Achtung! Hier spricht die Hauptzentrale, euer Großer Betreuer! Außenboot U-27 bitte melden.“
    Partner nahm Haltung an, als hätte er eine Harpune verschluckt. „Hier spricht P wie Partner. Alle Versorgungssysteme in U-27 funktionieren maximal.“
    „Perfekt!“ lobte Draco. „Wir haben eine Delegation ausländischer Wissenschaftler in der Hauptzentrale. Formuliert Informationsaufriß über Trident Village. Eure Stimmen klingen lebendiger als der Stimmautomat. Außerdem wollen wir eure hübschen Gesichter sehen. Holographiekamera läuft. Beginnt euer Spiel!“
    Die automatische Helligkeitssteuerung potenzierte sich um etliche Lux. Spica befeuchtete mit der Zungenspitze schnell ihre stumpfen Lippen. Ein kühles Lampenfieber ergriff sie, als sie an die Seite ihres Partners trat. Sie reichte ihm bis an die Schultern. (Er war der Größte der Crew.) Fehlerlos spulten beide sodann mit geteilten Parts die oft gedrillte Informations-Show ab.
    Der Klartext auf dem Bildschirm der Lernmaschine las sich so:
     
    DAS MONUMENT UNTER DEM MEER, MONUMENT DER HARMONIE! Vor dem Festlandsockel, innerhalb der Hoheitsgewässer, neunundvierzig Meter unter dem Meeresspiegel, im Farngarten des Friedens, liegt eine stählerne Stadt verankert. Als Friedensmonument ist TridentVillage zur zentralgesteuerten Lebens- und Versorgungswabe für 864 Life-Paß-Eigner geworden.
    Die internationale polyzentrische Abrüstungskonferenz für konventionelle Unterwasserkampf Systeme hat im Jahre 2000 die gesamte atomgetriebene U-Boot-Flotte der friedlichen Nutzung zugänglich gemacht. Sechsunddreißig geflutete, abgesenkte Atom-Unterseeboote der ehemaligen Trident-Klasse liegen – mittels hydraulischer Stabilfederung zu Vier- und Achteckkombinationen zusammengekoppelt – fest auf dem künstlich gehärteten Meeresboden.
    Sämtliche Aqua-Wohneinheiten sind voll sozialisiert. Die Kommunikation durch Konsum ist abgeschafft. Die Beschränkung des Individualeigentums infolge Platzknappheit versteht sich von selbst.
    Jeder Trident-Bungalow ist bei einer Wasserverdrängung von 7000 Tonnen mit vierundzwanzig Lebenseinheiten beiderlei Geschlechts bestückt. Der Verwandtschaftsgrad spielt bei der Zusammensetzung einer Boots-Crew keine Rolle. Ausschlaggebend ist allein die Enzymgruppennummer.
    Das Ziel aller Verheißung heißt
    Harmonie durch Anpassung!
     

 

„Verheißung, Vereinheitlichung, Verbundenheit! Hier spricht K wie Krabbe von U-33. Bitte mich einschleusen zu dürfen.“ Keck drängte sich die Jungenstimme per Kehlkopfmikrofon in das Programm.
    Der Große Betreuer reagierte amüsiert. „Ihr kriegt Besuch“, dröhnte er aus dem Zentrallautsprecher. „Laßt euch durch uns nicht stören. Macht normal weiter. Euer Bordalltag ist die beste Allgemeininformation.“
    Partner trat an den Befehlsverteiler. Während er flink einige Hebel umlegte, sprach er ins Bordmikrofon: „Willkommen in unserem Luxusbungalow! Einstiegsschleuse ist geflutet!“ Ein lautes Zischen wurde hörbar. Dann gurgelte Wasser in die Tauchzelle. Spica schaltete den Feuchtigkeitsabsorber auf volle Kraft. Ein- und Ausschleusemanöver gehörten zur

Weitere Kostenlose Bücher