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Gemischte Gefühle

Gemischte Gefühle

Titel: Gemischte Gefühle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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gerichtet waren.
    Wieder knallte er mit der Peitsche, und dann lief er einige schnelle Schritte auf das Tier zu. Dieses stand nun unbewegt, nur die Haare des Nackenpelzes bewegten sich in Wellen. Und dann, schneller als es irgendein anderes Wesen vermocht hätte, kam die Spinne auf ihn zu, drei Meter hoch, sechs Meter breit, mit Beinen, von denen jedes den Leibesdurchmesser um ein Mehrfaches übertraf.
    Alf ließ einen kurzen Strahl aus seinem Flammenwerfer gleiten; und er richtete ihn auf eine dieser langen segmentierten Gliedmaßen, um das Tier in seinen Bewegungen zu hindern. Er hatte gut getroffen. Die Spinne blieb einen Moment stehen und hob das verletzte Bein, doch mit den übrigen sieben lief sie dann genauso behend wie zuvor und kam weiter auf ihn zu.
    Nun gebrauchte Alf seine Peitsche, und im selben Moment mußte er auch schon dem ersten Schlag mit dem gefährlichen Horn ausweichen.
    Jetzt erst begann der Kampf – alles andere war Vorgeplänkel gewesen. Und Alf war in seinem Element. Stöße aus dem Flammenwerfer, Hiebe mit der Peitsche, Schläge mit der Machete, blitzschnelles Parieren, Ausweichen, Abducken … das Spiel lief, wie er es bestimmte. Er war voll konzentriert, nüchtern trotz aller kämpferischer Begeisterung, und obwohl ihn das ohrenbetäubende Geheul der Menge nur wie durch Watte hindurch erreichte, so war es doch das Bewußtsein, von den Wünschen und Hoffnungen unzähliger Menschen getragen zu sein, das ihn immer wieder neu bestärkte und beflügelte.
    Und dann merkte er plötzlich, daß dieser Kampf schon länger dauerte als alle anderen zuvor und daß es Zeit wäre, ihn zu beenden. Er sprang vor, hob die Machete – und in dem Moment schnellte der Kopf der Spinne vor … So schnell, wie es kein Auge erfassen konnte, hatte er einen Stoß an die Hüfte erhalten, der ihn in einem hohen Bogen emporwarf und in den Sand fallen ließ. Einen Moment lang blieb ihm der Atem weg, für einen Augenblick verstummte der Lärm um ihn herum, er lag regungslos auf dem Rücken, das Gesicht gegen den Himmel gewandt, und in der blendenden Helle des sonnendurchwirkten gelblichen Plexidaches der Überdachung erschien ihm Christas goldblondes Haar in einer fließenden Bewegung, in einem Gefunkel auftauchender und wieder verschwindender Reflexe, und er wollte nichts als so liegenbleiben und dieser Bewegung folgen …
    Ein stinkender Hauch weckte ihn aus seinem Dämmerzustand, der ekelerregende Atem des Tieres, und nun erinnerte er sich fast unwillig der bestürzenden Wirklichkeit. Er war wieder hellwach, und es war auch höchste Zeit, denn vor ihm, ganz nah, tauchte das Muster der roten Augen auf, und die beängstigenden Zackenreihen von Freßwerkzeugen, die nach ihm griffen. Er nahm alle seine Kraft zusammen, um sich zur Seite zu werfen, und dicht neben ihm stäubte der Sand.
    Alf sprang auf. Das Tier hatte sich ein wenig zurückgezogen, aber schon näherte es sich wieder. Und in dem Moment spürte er den Schmerz an der Seite, die Atemnot in den Lungen, die Schwäche in den Muskeln …
    Wieder war das Tier über ihm, er fand keine Zeit mehr, die Machete zu heben, sondern versuchte sich durch einen Sprung in Sicherheit zu bringen. Trotzdem streifte ihn das Horn, und diesmal war es ein Arm, der durch einen Schlag gefühllos wurde und leblos herabhing. Der Flammenwerfer entglitt seiner Hand.
    Alf merkte, daß er schwächer und schwächer wurde. Was er sich aber mit weitaus größerer Bestürzung eingestehen mußte, war die Tatsache, daß er Angst hatte. Und dieses Gefühl war so ungewohnt für ihn, daß es ihn für einen Moment vom Geschehen ringsherum ablenkte, daß er sich selbst beobachtete – und registrierte, daß eine lähmende Kälte von seinem Magen aus in seinen Körper einsickerte … Seine Bewegungen wurden langsamer und kosteten ungeheure Mühe, als befände er sich inmitten einer zähflüssigen Masse. Unwillkürlich blickte er in das Rund des Stadions, aber die Menge, die sich auf den Rängen drängte, hatte nichts Menschliches an sich, und sicher nichts, das ihm irgendwie helfen konnte.
    Noch immer vermochte er sich den Angriffen des Tieres zu erwehren, und gelegentlich traf er sogar mit seiner Machete oder mit dem Strang der Elektropeitsche. Dem Tier war allerdings keinerlei Wirkung anzumerken. Und während er nur noch mechanisch reagierte, fragte er sich nach dem Grund für sein Versagen. Er mußte an den gestrigen Abend denken, daran, daß er für kurze Zeit seine Grundsätze vergessen hatte, und

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