Gemischte Gefühle
oben.“
Verstohlen drückte sie den Abspielknopf. In das Aufkreischen von Bremsen mischten sich Presslufthämmer, schrien Martinshörner, dröhnten Motorräder, furzten Saxophone ein paar Takte Progressivjazz, hallten Überschall-Knallteppiche, heulten Sirenen und piepste nach einer winzigen Spannungspause ein Marylin Monroe’-sches Tupidampu …
„Aufhören!“ schrie Krabbe. „Bitte!“
Die plötzliche Stille in dem Bootsbungalow wirkte betäubend.
„Ich mach mich jetzt besser auf die Flossen“, brummte der Junge.
„Kommst du noch einmal vorbei?“
„Möglich. Du kannst uns ja für die Kopulationszelle voranmelden.“
„Wird gespeichert“, versprach Spica.
Krabbe berührte mit zwei Fingern leicht die Brust des Mädchens.
Dann trat er an den Befehlsverteiler: „Krabbe an Kommandostand – bitte mich ausschleusen zu dürfen.“
„Ausstiegsschacht geflutet“, quakte es aus dem Lautsprecher zurück. Die Hydrauliktüre schmatzte auf. Krabbe hatte erreicht, was er wollte. Die kleinen roten Pillen, die Erinnerungswecker, lagen geborgen an seinem Herzen. Das Zischen der Flutventile begleitete seinen Abgang.
Einige Zeiteinheiten später standen sich Spica und Partner im Isometric-Trainer gegenüber. Während sie in der Trimmzelle ihr Pflichtprogramm an Spannübungen, Hebel- und Stützgriffen absolvierten, entwickelte sich zwischen ihnen folgender Dialog:
„Die Sache mit dem Himmel und dem Hund, ich mußte es melden.“ In der Stimme des Mannes schwang keinerlei Bedauern.
„Das war dein Recht.“
„Es war meine Pflicht.“
„Ich muß dir auch etwas melden, Partner. Deine Stirnelektroden sind angelaufen! Du solltest deine Dreizack-Antenne besser pflegen.“
„Sieh an, sieh an, Frau Saubermann!“
„Bist du völlig oxydiert? Was soll dieser Unsinn? Wie kannst du mich mit Mann anreden?“ Spica ließ ihre Armmuskeln vorzeitig erschlaffen.
„Sollte ein Witz sein“, konterte Partner und beanspruchte jeden Bizeps mit voller Kraft.
„Humor ist nicht fortschrittsaktiv.“ Spica stieg aus dem Gerät, was einen Verstoß gegen die Trimmregel bedeutete, und tippte ihre Frage in die Datenspeichertastatur, die in keiner der wichtigen Bootszellen fehlte.
Wie immer wußte der Bordinformator sogleich Bescheid: „Frau Sauber- Mann, nostalgischer, aus der alten Werbesprache stammender Begriff für Putzteufel … ist gleich anfallartiges, aber nicht virulentes Säuberungsfieber. Ende.“
Erneut widmete sich Spica der systematischen Anregung ihrer sogenannten willkürlichen Muskelstränge. Die erhöhte Blutzirkulation sollte die Muskelfasern vor Ermüdungsschlacken befreien.
„Mußten die Menschen sich früher etwa selber waschen?“
Partner verband sein Nicken mit einer Nackenübung. „Unsere vitaminaktiven Duschmaschinen mit Infrarotzellen und Mutationsaktivatoren gabs damals noch nicht.“
„Müssen die primitiv gelebt haben!“
„Kommst du mit? Ich will anschließend zum Palast der Haie schwimmen.“
„Du meinst zum Sozialfriedhof? Da schauert’s mich immer.“
„Aber weshalb denn? Die Riesenhaie schwimmen ausbruchssicher in ihrem Stahlgitter-Areal mit elektronischer Doppel-Barriere.“
„Willst du zusehen, wie sie unsere Toten fressen?“ Spica stemmte sich mit beiden Handflächen von der verchromten Sprossenwand ab.
„Es ist nicht alle Tage Befütterung.“ Partner grinste. Seine Zähne schimmerten wie stumpfe Knochen.
„Ich finde den Anblick quallig“, entgegnete Spica und konzentrierte sich auf ihre Zehengymnastik.
„Die Tiere leisten schnelle und saubere Arbeit!“
Niemand konnte es leugnen. Die Totenfresser waren die Asse im Kampf gegen die Unterwasserverschmutzung. Tot kam von total, total funktionslos. Die Rückführung auf den Punkt Null entsprach dem Kreislauf aller biologischer Prozesse. Im vorigen Jahrhundert hatte es noch Zeit ist Geld geheißen. Heute wußte jedes Kind, daß es Die Zeit bringt den Tod heißen mußte.
„Ich will in keinem Haifischmagen enden, ich nicht“, protestierte Spica.
„Sentimentalitäten sind im dritten Jahrhundert verpönt! Sich oben begraben oder gar verbrennen zu lassen, steht nur einigen Wissenschaftlern und den Bonzen zu. Willst du in die biologische Düngerfabrik kommen? Dazu hätte ich keine Lust.“ Partner versuchte seine Schultermuskeln zu strapazieren, wobei jeder Muskelanspannung eine sieben Sekunden dauernde Entspannungsphase folgen mußte.
„Jetzt bist du aber sentimental“, sagte Spica lächelnd, „du spürst
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