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Gemischte Gefühle

Gemischte Gefühle

Titel: Gemischte Gefühle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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Poseidon.“
    „Erinnerung stabilisiert“, meldete Krabbe. „Miniaturdreizack ist mir – seit ich denken kann – in den Schädel gepflanzt.“
    Der Psychologe schüttelte den Kopf. „Nicht ‚seit’ du denken kannst, sondern ‚damit’ du weisungsgerecht denken kannst, mutationsgerecht. Es handelt sich dabei um ein Wunderwerk der Physikalmedizin. Dieses Umformer-Relais ist ein echter Segen für uns alle.“
    „Warum hast du dann keine solche Antenne im Schädel?“
    „Ich meinte, daß es ein Segen für euch alle ist.“ Er holte hörbar Luft und erklärte, daß vor dreißig Jahren die Trident-Klasse die ersten Unterwasserkreuzer mit interkontinentaler Waffenreichweite repräsentiert hatte. Trident zielte damals auf die atomaren Mehrfachsprengköpfe, die jede der vierundzwanzig Offensivraketen an Bord tragen konnten.
    „Langsam, langsam! Folglich lagerten damals in den Nutzlastbuchten eines jeden Bootes vierundzwanzig Raketen. Komisch!“
    „Komisch ist ein unzeitgemäßer Destruktivbegriff, Krabbe!“
    „Aber jetzt leben doch in jedem Bootskörper vierundzwanzig Life-Paß-Eigner. Das heißt also vierundzwanzig Menschen im Austausch gegen vierundzwanzig Raketen.“ Leicht vorgebeugt fixierte der Junge den Mann im grünen Knitterplastikanzug, der sich dadurch aber nicht aus der Ruhe bringen ließ.
    „Ein leuchtendes Beispiel für unsere Fortschrittsstabilisierung!“ lobte der Physidoge und fuhr fort: „Die ehemalige Abschreckungsflotte im internationalen Rüstungsschach wird heute als friedliche Unterwassersiedlung genutzt.“
    „Du redest wie der Informator.“ Krabbe überlegte einen Moment. „Können Menschen auch zu Waffen werden?“ wollte er plötzlich wissen.
    „Das fällt nicht in meinen Zuständigkeitsbereich.“
    „Wieso? Das ist doch eine logische Frage! Ich wiederhole, können Menschen Waffen ersetzen?“
    „Im Kampf um die Freiheit ist so etwas vorgekommen.“ Der Elektronenphysiologe sah Krabbe starr in die Augen. Die blaßblaue Färbung der Iris zeichnete sich nur schwach vom Weiß seiner Augäpfel ab.
    „Was ist Freiheit?“
    „Schalte auf Bordinformator“, sagte der Mann.
    Computer wollen unentwegt gefüttert werden, dachte Krabbe bei sich. Ihre Module gieren nach Schaltimpulsen. Das halbe Leben besteht aus dem Bedienen irgendwelcher Tastaturen, aus Schalterklicken und Hebeldrücken.
    Der Bordinformator verweigerte die Auskunft, da sie in keinem notwendigen Zusammenhang mit der technischen Überwachung stand.
    Krabbe schaltete auf stur: „Bestehe auf Information!“
    Ohne Zögern spuckte der Informator die Erste Warnung aus. „Beantwortung der Frage ist mit Negativmarkierung im Life-Paß gekoppelt.“
    Der Junge ließ sich nicht einschüchtern und akzeptierte.
    „Du unterliegst einem Fehlimpuls, Krabbe“, warnte der Physiologe.
    „Unterscheide zwischen positiver und negativer Freiheit“, formulierte der Informator weiter. „Positive Freiheit = die Freiheit, die die Gesellschaft erlernen muß, um überleben zu können. Negative Freiheit = Abwesenheit von Zwang. Drittens: auch Uraltbegriff der dialektischen Losophie. Korrigiere: Phi-lo-sophie.“
     
    „Weshalb wird Wahrheitsfindung für Freiheitsbegriff bestraft?“ Die Jungenstimme fuhr wie ein frischer Windhauch in den sterilen Container.
    „Gib dich zufrieden, Krabbe! Der Grund für die Negativmarkierung ist eine Schutzmaßnahme zu deiner eigenen Persönlichkeitsstabilisierung. Die Informationsauslese dient dem allgemeinen Angstabbau. Eine Zensur findet nicht statt.“
    „Jetzt würde mich nur noch interessieren, was passiert, wenn ich nach der Wahrheit frage.“
    „Dann ist dir die zweite Negativmarkierung sicher!“ Der Physiologe erhob sich nervös von seinem Drehschemel. „Wenn du weiter so auffällst, zwingst du mich zu einem stereotaktischen Hirneingriff, Krabbe.“
    „Dann verzichte ich auf die Wahrheitsdefinition.“ Der nackte Körper ließ sich auf die Konturenlehne zurückfallen. Trotz der Hitze hinterließ Krabbes kühle, trockene Haut keinerlei Schweißspuren. „Gestehe Impulsfehler ein. Es lebe die Harmonie-Narkose!“
    „Das klingt schon besser.“ Der Mann im grünen Septo-Anzug wollte sich wieder setzen, hielt aber inmitten der Bewegung inne. „Ach du großer Neptun!“
    „Wovor erschrickst du?“
    Der Physiologe richtete sich auf, als trüge er eine Last auf den Schultern. „Ich habe doch alle Antworten mit angehört! Warum haben sie mir keine Negativmarkierung angedroht?“
    „Vielleicht

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