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Gemordet wird immer

Gemordet wird immer

Titel: Gemordet wird immer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Korber
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etwas Bemerkenswertes festgestellt, denn sein Cousin hielt inne und schaute ihn an. Was für Augen, dachte Viktor. Riesengroß, klar, von enormen Wimpern gesäumt wie die eines Mädchens, mit einem intensiven, aber seltsam fernen Blick. Viktor fragte sich unwillkürlich, was Tobias wohl sah. Endlich schüttelte er den Kopf. Besser, er widmete sich wieder Herrn Bulhaupt, sonst würde Wolfgang Anders noch eine abfällige Bemerkung über sein Arbeitstempo machen. Ein letztes Mal schlang er seinen Arm um die Schultern der Leiche, um sie anzuheben und die letzten Stofffetzen unter ihrem Rücken hervorzuziehen.
    Er zitterte unter dem Gewicht des kalten Fleisches. »Verdammt«, keuchte er, »das ist wirklich …« Im selben Moment machte es »pling«.
    Verblüfft starrte Viktor auf das Ding, das auf den Aufbereitungstisch gefallen war und nun scheppernd die Abflussrinne entlangrollte.
    Ehe er begriff, um was es sich handelte, war sein Cousin schon aufgesprungen und griff danach.
    Viktor ließ den Toten fallen, ohne sich um das dumpfe Krachen zu kümmern, mit dem der Kopf des Toten auf die Aluminiumkante schlug. »Was ist das?«, fragte er. »Gib mir das besser!«
    Völlig fasziniert drehte Tobias in seinen Fingern ein zäpfchenförmiges, messingfarbenes Ding mit Resten geronnenen Blutes. Er summte glücklich. Im Hintergrund surrte die Kühlung.

7
    »Ist er nicht süß?« Die Blondine ließ ihre Kreolen tanzen, während sie sich ihrer Freundin zuneigte, um ihr ins Ohr zu flüstern. »Der mit den Löckchen, drüben an der Theke.«
    Die andere, in kurzem Karorock und Stiefeln, folgte ihrem Blick. »Meinst du den mit der großen Nase?«, fragte sie. »Na ja, die Surferfigur ist nicht schlecht, aber sonst …«
    »Ich steh auf große Nasen«, kicherte die erste. »Es heißt doch, die sind so vielversprechend.«
    »Du bist ja so versaut, aber du hast recht, irgendwie hat er was.«
    »Er hat was von Clooney, das machen die braunen Augen. Hey, jetzt sieht er her!« Sie brachen in hysterisches Gelächter aus.
    Viktor Anders musste grinsen. Offenbar war sein Outfit eine gute Wahl gewesen. Onkel Wolfgang hatte ihm für den ersten Arbeitstag einen alten Anzug seines Vaters rausgelegt. Doch er hatte sich stattdessen für schwarze Jeans und ein knapp sitzendes, ebenfalls schwarzes Polohemd entschieden, das seinen Waschbrettbauch erahnen ließ und seine Bräune betonte. Kurz erwog er, sie nach ihren Handynummern zu fragen. Das Blond ihrer Haare war so künstlich wie ihr Make-up, aber sie waren schlank und fröhlich. Blieb allerdings eine Frage: Wo sollte er mit ihnen hin, etwa in sein Kinderbett? Das Schlafzimmer seiner Eltern kam ebenso wenig in Betracht. Er hatte nicht mal ein Auto mit Rücksitz. Und im Park lagen immer noch Reste von Schnee. Wie sehr er den Strand vermisste. Viktor seufzte melancholisch.
    »Also, was darf es sein?«
    Überrascht drehte Viktor sich um.
    »Die Apfeltasche oder das Kirschbeignet?«, fragte die junge Frau hinter der Theke. Ihr glattes schwarzes Haar war zu einer kessen Kurzhaarfrisur geschnitten, die fröhlicher wirkte als ihr Gesicht. Ihre schwarzen Augen blickten groß und ein wenig kindlich-erstaunt, der auffallend breite Mund allerdings war streng verzogen. Sie trug Jeans und eine weite indische Bluse, die ihren üppigen Busen und die ziemlich breiten Hüften unglücklich betonte. Nicht blond, nicht langbeinig, stellte Viktor knapp fest.
    Schnippisch klapperte sie mit der Gebäckzange. »Ihre Gedanken sind so leicht zu lesen.«
    »Sprechen wir noch über das Gebäck?«, fragte Viktor.
    »Jedenfalls haben Sie die beiden wie Gebäckstücke gemustert«, erwiderte sie. »Man konnte förmlich sehen, wie Sie jedes Detail bewertet haben. Und dann die Nase gerümpft. Darf man fragen, was Sie letztlich abgehalten hat? Zu viel Po, zu wenig Bein?«
    »Zu wenig Wohnraum«, sagte Viktor und klappte das Buch zu, in dem er geblättert hatte, bis er an die Reihe gekommen war. »Im Übrigen bin wohl eher ich gemustert worden, oder? Und wenn Sie es genau wissen wollen: Ich dachte gerade über meinen Beruf nach.«
    »Sie sollten sich mal hören.« Die Schwarzäugige lachte ungläubig.
    »Ich glaube, ich nehme die Apfeltasche«, sagte Viktor. »Zwei bitte.«
    Eine Weile hantierte sie stumm. »Was für ein Beruf?«, fragte sie dann.
    »Und einen Darjeeling«, fügte Viktor statt einer Antwort hinzu. Er schaute sich um. »Einen schönen Laden haben Sie hier. Tee, Wein, Bücher. Manche mögen das ja eine seltsame Mischung

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