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Gemordet wird immer

Gemordet wird immer

Titel: Gemordet wird immer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Korber
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Seite drei aufgeschlagen. Dort hatte jemand einen Artikel umrahmt. »Und plötzlich war es Mord«, stand da. Mit wachsender Aufmerksamkeit las sie weiter. »Bestatter A.«, murmelte sie, »Bestatter A.«. Ihre linke Hand tastete nach seiner Karte, die noch auf dem Tresen lag. Miriam ließ die Zeitung sinken. »Das gibt es doch nicht«, sagte sie. Sie sagte es so laut, dass sie sich erschrocken im Laden umsah. Aber er war tatsächlich gegangen. »Verdammt«, murmelte sie und biss sich auf die Lippen. Warum nur musste sie immer so sein, wenn ein Kerl ihr gefiel?

8
    »Auf dem Totenschein stand ›Herzversagen‹, Herrgottnochmal.« Den Satz hatte Wolfgang Anders in den letzten Stunden unermüdlich wiederholt, gegenüber der Polizei, seiner Frau und seinem Neffen und auch einfach so in den Raum hinein. »Ich habe Herrn Bulhaupt selbst abgeholt. Er saß noch in seinem Sessel, genau da, wo er auch gestorben ist.« Unwillig starrte er durch die Frontscheibe. Seine Finger trommelten auf das Lenkrad.
    »Na, offenbar ist er da eben nicht gestorben«, gab Viktor zurück. »Es sei denn, der Mörder hat ihm durch die Lehne hindurch in den Rücken geschossen.« Bei dem Wort ›Mörder‹ zuckte sein Onkel kurz zusammen. »Wer hat den Schein denn ausgestellt?«
    »Der Hausarzt«, sagte sein Onkel und fügte hinzu: »Ich kenne den Mann seit dreißig Jahren; wir sind im selben Tennisclub.«
    »Trotzdem wäre es seine Pflicht gewesen, den Toten ordnungsgemäß zu untersuchen. Schließlich entscheidet allein sein Urteil, ob die Polizei hinzugezogen wird, oder nicht?«
    »Worauf willst du hinaus?«, blaffte sein Onkel, der die Kritik an seinem Tenniskumpel offenbar persönlich nahm. »Hätte er Bulhaupt vor den Augen seiner Witwe und seiner Kinder nackt über den Fußboden rollen sollen?« Seine Stimme machte klar, für wie pietätlos er das hielt.
    »Einer von ihnen war vielleicht der Täter.« Viktor gab nicht nach. »Und dann sollte man ihn doch nicht so leicht mit dem Erbe davonkommen lassen, oder? Hier, deine Apfeltasche.« Viktor reichte seinem schmollenden Onkel das Mittagessen hinüber.
    »Versuch, nicht zu krümeln«, gab der nur zurück. »Netter Laden«, fuhr er fort. »Bisschen verwirrt, die gute Frau Wechsler. Hat aber das beste Gebäck hier beim Friedhof. Sie macht es selbst, glaube ich.«
    »Was meinst du mit ein bisschen verwirrt?«, fragte Viktor leicht entnervt. Sein Wertesystem für ›verwirrt‹ hatte sich in den letzten Stunden, seit er den Alltag eines Bestattungsunternehmers näher kennengelernt hatte, ein wenig verschoben. Sie hatten an diesem Morgen eine Standesbeamtin aufgesucht, die fröhlich in ihren Taschenrechner getippt und, während der Drucker ratternd die Sterbeurkunde ausspuckte, geflötet hatte: »Macht hundertdreiundzwanzig sechzig. Dann mal Flocken raus, Wolfgang.«
    Danach waren sie mit der Urkunde zur Polizei gegangen, um die Freigabe für die Kremation zu erhalten. »Einmal Feuer«, hatte der Beamte in den Raum gerufen. Sein Kollege am Computer hatte aufgeschaut und gegrinst: »Ich bin Nichtraucher.« Und Viktor hatte sich im allgemeinen Gelächter um ein Grinsen bemüht. »Jetzt können’s ihn verbrennen, wir brauchen ihn nimmer.« Die Welt der Toten war voller Frohnaturen.
    Viktor nahm einen Schluck Cola aus einer Flasche und rülpste. »Verwirrt?«, wiederholte er. Sein Cousin warf Katzen aus dem Fenster, aus der ersten Leiche, die er versorgt hatte, fiel ein Projektil. Wie viel verwirrender konnte es noch werden? Nun ja, heute Nachmittag würde er lernen, eine Analtamponade vorzunehmen.
    »Hedwig sagt, die Kleine spricht mit Blumen. Glaubt, sie hätten eine Seele oder so etwas.« Sein Onkel biss ein ordentliches Stück von seiner Apfeltasche ab.
    »Au, aua«, schrie Viktor mit hoher Stimme auf, »iss mich nicht, ich bin ein armer, introvertierter Boskoop.«
    Der Blick, den Wolfgang Anders ihm zuwarf, erinnerte Viktor an den der Kommissarin, die gestern Abend unsanft und frostig in sein Leben getreten war. Unsanft hatte sie auf seine Erklärungen reagiert, frostig war der Blick gewesen, mit dem sie ihn gemustert hatte. Bis zu einem gewissen Grad konnte er es ihr nicht verdenken.
    »Lassen Sie mich zusammenfassen und sehen, ob ich Sie richtig verstanden habe«, hatte sie gesagt und die Hand in die Hüfte gestemmt.
    Viktor hatte einen langen Blick auf ihre ebensolchen Beine in dem grauen Hosenanzug werfen können. Scharf, hatte er gedacht, und damit nicht die Bügelfalten gemeint, die

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