Gemordet wird immer
finden, aber es hat was. Erstaunlich, dass mein Onkel so etwas empfiehlt.« Als er ihren Blick sah, fügte er hinzu: »Das geht eher gegen meinen Onkel.«
»Mir gefällt’s.« Ein wenig beleidigt wandte sie ihm den Rücken zu, um den Tee aufzugießen. »Ich hatte Sie gefragt, was für einen Beruf Sie haben«, sagte sie nach einer Weile. Sie drehte sich wieder zu ihm um und stellte die Tasse vor ihn hin.
Viktor ließ sich Zeit, nahm die Tasse, drehte sie in der Hand, schnupperte an dem Dampf, der daraus emporstieg. »Ein schönes Stück«, stellte er fest. »Importieren Sie die direkt? Ich habe in Chinatown in New York nämlich mal in einem Schnellrestaurant gearbeitet, das hatte ganz ähnliche Schalen.« Er tat, als versuche er, das Herstellerzeichen auf dem Boden zu entziffern.
Sie hob eine Braue. Ihre Finger tippten ungeduldig auf die Theke.
»Wenn es Sie nicht interessiert, warum fragen Sie dann?«, erkundigte er sich.
Sie lachte ein wenig zu laut. »Tellerwäscher in Chinatown? Eher sind Sie Hochzeitssänger. Oder Skilehrer. Und ich sage Ihnen was …«
»Ich bin Bestatter.«
Einen Moment war es still. Ihre großen Augen wurden noch größer und runder. »Sie sind was?«, fragte sie endlich.
Viktor stellte die Tasse ab. »Heißt das, Sie sind schockiert über meinen Beruf?«
»Nein, nein, gar nicht, ich …«
»Oder finden Sie Gefallen daran? Denn das würde, ehrlich gesagt, mich wiederum schockieren.«
Ihr Gesicht verfärbte sich tiefrot. Mit unsicherem Schritt ging sie zur Kasse und tippte die Preise ein, was ihr jedoch nicht auf Anhieb gelang.
»Sehen Sie?«, sagte Viktor. »Es ist nicht ganz einfach mit mir und der Frauenwelt.«
»Als ob mich das was anginge.« Sie schnappte nach Luft.
»Was regt Sie so auf?«, erkundigte Viktor sich und grinste. »Mein Beruf? Oder dass Sie mich trotzdem mögen?«
»Vier fünzig.« Zu mehr konnte sie sich nicht aufraffen. Sie tat ihm leid. Beinahe fand er es schade, dass sie so penetrant und breithüftig war.
Er zog seine Börse aus der Hosentasche und gab ihr seine Visitenkarte. »Keine Sorge, ich halte Sie schon nicht für nekrophil.«
Sie schnitt ihm eine Grimasse und nahm die Karte mit spitzen Fingern entgegen. »Viktor Anders«, las sie. Unwillkürlich räusperte sie sich. »Und gelernt haben Sie Ihren Beruf in Chinatown, New York, ja?«
»Nein, da war ich Tischabräumer in einem Schnellrestaurant. War ein toller Laden, mit einem Kessel in der Mitte, so groß wie Ihr Geschäft, voller Suppe. Die hat geschmeckt, sage ich Ihnen.«
Sie schaute ihn immer noch an.
»Was ist?«, fragte er und musste innerlich lachen. Er würde noch lange in ihrem Kopf herumspuken. Nun, es geschah ihr recht.
Statt einer Antwort schüttelte sie den Kopf. »Schon gut«, meinte sie schließlich. »Hier ist Ihr Wechselgeld.«
Er winkte ab, und sie steckte die Münzen ein. »Viktor also, der Mann mit den vielen Gesichtern.«
Draußen hupte es. »Das ist mein Onkel mit dem Wagen«, erklärte Viktor. »Er wartet mit einem Passagier.«
»Verstehe.«
Er nickte. »Falls es Sie tröstet, ich werde demnächst den Beruf wechseln.«
»Was wollen Sie denn werden?« Sie mühte sich, wieder ihren üblichen schnippischen Tonfall zu treffen. »Heiratsschwindler?«
»Was Sie so denken, Miriam.«
Sie schnappte erneut nach Luft. »Woher kennen Sie meinen Namen?«
»Er steht auf Ihren Speisekarten.« Er schnippte gegen einen Stapel der Werbezettel, die auf der Theke herumlagen.«
Sie errötete. Doch bevor sie etwas entgegnen konnte, fuhr er fort: »Nein, ich werde Detektiv.«
»Detektiv. Jetzt ist mir alles klar.« Sie stemmte die Hände auf die Theke. »Hören Sie, Viktor. Sie mögen ja ganz gut aussehen und einen gewissen Charme besitzen. Aber wenn Sie glauben, ich falle auf Ihre Anekdötchen und Manöver herein, dann haben Sie sich getäuscht.«
Er neigte den Kopf. »So hätten Sie es gerne, Miriam, nicht wahr? Alles durchschaut, alles im Griff, vor allem die Kerle. Wenn so gar nichts mehr prickelt, dann fühlen Sie sich sicher. Aber ich sage Ihnen was.« Er neigte sich vor. »Ohne Prickeln geht es nicht. Und Sicherheit macht einsam.«
Bei diesen Worten legte er einen gefalteten Zeitungsbogen auf den Tisch, den er aus seiner Hosentasche gezogen hatte. »Und im Übrigen waren Sie es, die mich angesprochen hat.« Damit ging er hinaus.
Mit offenem Mund starrte Miriam ihm nach. Sie holte tief Atem und strich sich das Haar aus der Stirn. Ihr Blick fiel auf die Zeitung. Sie war auf
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