Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gemordet wird immer

Gemordet wird immer

Titel: Gemordet wird immer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Korber
Vom Netzwerk:
hoch und ließ ihn mit einem Rumms wieder fallen. »Andere schlafen über Leichen.«
    »Ich werde mal nach dem Braten sehen«, rief Tante Hedwig und floh in die Küche.
    »Vielleicht sollten wir das Gespräch drüben fortsetzen.« Der Onkel zeigte zum Büro hinüber, das Viktor als Kind nie hatte betreten dürfen. Umso mehr Vorstellungen hatte er sich davon gemacht. In seiner kindlichen Fantasie war es so etwas wie ein ägyptischer Tempel gewesen, bewacht von einem Kerberos oder Anubis, mindestens, mit Säulen und steinernen Gesichtern, so ernst wie die ihrer Eltern, wenn sie dort gewichtig ein und aus gingen und nie vergaßen, den Schlüssel im Schloss umzudrehen.
    »Wenn du meinst, dass ich alt genug dafür bin.«
    Sein Onkel würdigte ihn keiner Antwort. Er schloss auf. Das Geräusch, Viktor konnte es nicht verhindern, verursachte ihm eine leichte Gänsehaut.
    Die Enttäuschung folgte auf dem Fuße. »Die heiligen Hallen«, murmelte er. »Tja.«
    Die Tapeten stammten aus den Siebzigern, waren verblichen wie alte Familienfotos und zugepflastert mit Kalenderbildern. Kahle Bäume im Schnee, weite Himmel über Rapsfeldern und vergilbte Mittelmeeransichten bemühten sich tapfer, Tod und Leben zu symbolisieren. Daneben warben Bilder von Schiffen und Männern in Kapitänsuniform für Seebestattungen zu Sondertarifen, als wären es Fischstäbchen. Poster mit Brillanten auf lila Samt klärten auf, dass die Ewigkeit auch in Form eines Schmuckdiamanten aus Asche zu haben war.
    »Hier also wirkt der Genius.« Viktor drehte sich einmal um sich selbst. »Na ja, man sieht, dass ihr nicht darauf aus seid, Frohsinn zu verkaufen.«
    Urnen aller Designrichtungen füllten die umlaufenden Regale. Viktor sah triste Töpfe in unterschiedlichen Grauabstufungen, aber auch hochglanzpolierte schwarze Miniaturraumkapseln, die spiegelten wie Darth Vaders Helm, und Vasen mit den Motiven von Sonne, Mond und Sternen darauf. Es gab seltsam geformte Kunstobjekte in gewagtem Flieder, schmiedeeiserne Farne, Rosen und Efeublätter, die sich um witterungsbeständige Herzen oder Eier aus Kunststein rankten, Kugeln, Pyramiden und betende Hände. Sogar weiße Kinderurnen mit Engeln und Nachtigallen versteckten sich in der Menge. Rasch wandte Viktor sich ab.
    Auf dem Sideboard war eine Armee handtellergroßer weißer Engel versammelt, mit und ohne Flügel, nackt oder im kurzen Kleidchen, betend, singend oder flehend, im Liegen, Sitzen und Stehen warteten sie darauf, gräberwärts zu marschieren, flankiert von einer Auswahl ewiger Lichter, deren rote Plastikhüllen ihre Marmor-Glieder seltsam rosig schimmern ließen.
    »Und hier sind die Eigenheime, ja?« In einer rückwärtigen Kammer lehnten Sargmodelle an der Wand, Kiefer, Eiche und Mahagoni Standard, mit mehr oder weniger Schnitzerei. Aus ihrem unpolierten Inneren rieselten Sägespäne. In den Regalfächern an den Wänden waren verschiedene Griff-Modelle ausgestellt. Viktor nahm ein paar in die Hand, sie waren meist überraschend leicht, nur Silber- oder Messingimitat. Echtes Messing in unterschiedlichen Schnörkelgraden gab es auf Wunsch. Ein Tacker lag herum, für das Auskleiden der Särge mit falschem Satin. Viktor schnappte ihn sich und ließ ihn ein paarmal rattern, bis sein Onkel ihm das Gerät aus der Hand nahm.
    Sterbewäsche, die in raschelndes Cellophan verpackt war, quoll aus den Schubladen, glänzende Kleidungsattrappen in Silberweiß, Crème, Perlgrau und Apricot, aus Polyester, wie die Etiketten besagten, eine seltsame Kreuzung aus Kommunionskleid und Nachtwäsche. Viktor strich über die zerdrückten Rüschen. »Na, in so was möchte ich nicht mal begraben sein«, bemerkte er kopfschüttelnd. Es roch nach Holz, warmem Papier und Schnittblumenwasser. Dazu summte ein Computer genügsam vor sich hin.
    Endlich eröffnete Wolfgang Anders das Gespräch. »Du hast deinen Eltern damals das Herz gebrochen, weißt du das?«
    Viktor tat so, als hätte er die Bemerkung überhört. Er warf einen Blick auf das Preisschild auf dem Bauch des Engels und pfiff anerkennend durch die Zähne. »Also, lass uns über Zahlen diskutieren, Onkel. Die Zahl lautet fünfzig. Fünfzig Prozent. Genau die Hälfte. So war der Betrieb aufgeteilt. Und enterbt hat Vater mich nie, gebrochenes Herz hin oder her.« Er stellte den Engel mit Nachdruck zurück.
    »Du scheinst dich ja genau erkundigt zu haben.« Wolfgang Anders kniff die Augen zusammen. »Hast du sonst noch etwas getrieben in all der Zeit, seit du …?«
    »…

Weitere Kostenlose Bücher