Gemuender Blut
dass mein Gefühl mich diesmal nicht trügt.«
SECHZEHN
Fünf Minuten später stand ich vor der verschlossenen Schwimmbadtür. »Mist!«, fluchte ich still vor mich hin und starrte durch die Glastür ins Innere. Kein Mensch mehr zu sehen. Ich wandte mich um und ging über die Brücke durch den Kurpark zurück zu den Parkplätzen hinter dem Finanzamt, auf denen ich Steffens Geländewagen abgestellt hatte. Im »Haus des Gastes« brannte noch Licht, aber es war die Putzfrau, die die letzten Spuren der Besucher in der Nationalparkausstellung beseitigte. Hier konnte mir auch niemand helfen.
»Kurparkstraße«, stand auf dem Straßenschild. Hatte nicht Katja Sahtmanns bei ihrer »Mein Haus, mein Auto, mein Pferdepfleger«-Orgie von »meinem Haus in der Kurparkstraße« gesprochen? Zielstrebig ging ich auf die edelste Jugendstilvilla der Straße zu und drückte auf die Klingel.
Ein Gong hallte durch das Innere des Hauses, direkt gefolgt vom rhythmischen Klackern hoher Absätze.
Eine Frau öffnete die Haustür einen Spaltbreit. Dicke schwarze Sonnenbrillengläser verdeckten nur unzureichend den blauen Fleck, dessen gelbviolette Ausläufer unter den Rändern der Brille zu sehen waren. Die schwere Tür verdeckte ihren Körper, sodass es schien, als schwebe der Kopf über dem glatten Marmorboden.
»Ina?«
»Katja!«
»Komm rein.« Sie ließ die Tür los, drehte sich um und ging in die kühle Dunkelheit des Hausflurs, ohne sich darum zu kümmern, ob ich ihr nachging oder nicht.
Die Gummisohlen meiner Sandalen quietschten im Takt meiner Schritte, als ich ihr in den hinteren Teil des Hauses folgte.
»Ich wollte dich eigentlich nur kurz darum bitten, einen Blick in dein Telefonbuch werfen zu dürfen«, rief ich ihr hinterher.
»Bedien dich!« Katja stand an einer dieser Kochinseln, die ich nur aus Wohnzeitschriften kannte, und zog den Bademantel enger um ihren Leib. Mit dem Kopf zeigte sie auf ein Holzregal, in dem Kochbücher, Krimis und Zeitschriften lagen. »Es muss da irgendwo sein.«
»Hast du einen Unfall gehabt?«, fragte ich sie, während ich das kleine gelbe Buch aus dem Stapel zerrte und die Adresse suchte und fand: Malsbenden, in der Nähe des Reitstalles.
»Ein Golfschläger«, murmelte sie.
Ich zögerte. Zu oft hatte ich Frauen gesehen, die »die Treppe hinuntergefallen«, »in einen Besenstiel gestolpert« oder sich auf eine ähnliche Weise verletzt hatten. Katja Sahtmanns war einmal meine Freundin gewesen. Sie jetzt einfach hier stehen zu lassen ging mir gegen den Strich.
Ich nickte ihr zu. »Danke für die Auskunft.« Langsam ging ich durch die Eingangshalle wieder zur Tür. Dann drehte ich mich noch einmal um.
»Wenn Andreas noch einmal mit dir Golf spielen gehen will, ruf mich bitte an. Ich habe ein sehr gutes Handicap und kann ihm mit Sicherheit noch die ein oder andere Überraschung bereiten.«
»Ich werde es mir überlegen«, erwiderte sie. Und lächelte.
Die Straße war schnell gefunden. Auf einer Anhöhe gelegen, boten die Lücken zwischen den Einfamilienhäusern einen phantastischen Ausblick über das Dorf, den ich zu jeder anderen Gelegenheit sehr genossen hätte. Jetzt blieb dafür keine Zeit mehr.
»Haben Sie den Ohrring, den ich im Schwimmbad gefunden habe, hier?«, überfiel ich Frau Angler, als sie die verglaste Haustür öffnete, durch die sie mich bereits erkannt hatte.
Sie schüttelte den Kopf. »Leider nein. Den habe ich im Schwimmbad gelassen, für den Fall, dass meine Kollegen danach gefragt werden.«
Ich streckte ihr Michelles Ohrring auf der flachen Hand entgegen. »Was meinen Sie? Ist es der passende?«
Frau Angler spitzte die Lippen und lugte über den Rand ihrer Brille auf das Schmuckstück.
»Er sieht dem anderen sehr ähnlich, aber ich bin mir nicht sicher.«
»Könnten wir jetzt direkt nachsehen?«
Sie zog eine Augenbraue hoch.
»Haben Sie einen Schlüssel zum Schwimmbad?«
Sie nickte.
»Bitte!« Ich packte den Ohrring wieder in mein Portemonnaie. »Können wir dorthin fahren? Es ist wirklich wichtig.«
Wieder nickte sie und schloss ihre Schuhe. »Worauf warten wir noch?«
Das Licht der kleinen Schreibtischlampe funzelte vor sich hin und schaffte es kaum, das Kassenhäuschen zu erhellen. Aber das war egal. Wir erkannten es auch im Dämmerlicht. Die Ohrringe waren sich sehr ähnlich. Der gleiche Schliff, die gleiche Fassung, der gleiche Prägestempel. Aber waren es die passenden Gegenstücke? Der aus dem Schwimmbad war dunkler, wie angelaufen.
»Sie sagt, sie
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