Gemuender Blut
gutem Grund. Meine Ermittlungen sind chaotisch, unkoordiniert und uneffektiv. Ich renne idiotischen Theorien hinterher, ohne nach links oder rechts zu schauen. Traue meinem Gefühl und nicht den Fakten. Lasse mich täuschen. Kurz: Am besten mähe ich doch den Rasen hinter Hermanns Haus. Und zwar für den Rest meines Lebens.«
»Lass uns mal zusammenfassen.« Steffen klemmte sich einen Hocker zwischen die Beine, setzte sich neben die Wanne und stützte seine Arme auf den Wannenrand. »Ich bin nicht der Mörder Peter Prutschiks.«
Ich nickte.
»Sein Sohn und seine Exfrau sind ebenfalls aus dem Rennen.«
»Japp.«
»Wer bleibt?«
»Olaf.« Ich pustete in den Schaumberg vor mir. Eine kleine Höhle entstand. So wie die oben auf dem Salzberg, in der wir als Kinder immer Räuber und Gendarm gespielt hatten.
»Nein.«
»Willst du es nicht, weil er dein Freund ist, oder glaubst du es nicht?«
»Beides.«
»Maria Henk.«
»Die große Unbekannte.«
»Die große abwesende Unbekannte.«
Das Telefon klingelte. Steffen stand auf und ging ins Wohnzimmer.
»Die Autowerkstatt!« Er zeigte auf den Hörer und nickte. Dann lauschte er. Außer einigen »Hmms«, »Ahahs« und »Weiß nicht« kam von seiner Seite nicht viel. Ich versank wieder in den warmen Fluten. Mein Käfer war sowieso nur noch Schrott. Da wollte ich mir die Details ersparen.
Unverständliche, dumpfe Worte drangen zu mir auf den Grund der Wanne. Steffen fasste mich unterm Kinn und zog mich an die Luft.
»Hast du in den letzten Tagen neue Reifen auf den Wagen ziehen lassen?« Er hielt den Hörer noch in der Hand.
Ich schüttelte den Kopf.
»Nein, hat sie nicht, Herr Kauffmann.«
Es quäkte im Hörer.
»Hattest du einen Platten und musstest das Rad wechseln?«
»Nein, auch nicht«, gab er mein erneutes Kopfschütteln weiter.
Wieder quäkte es, diesmal länger.
»Ja, danke. Ich sag es ihr. Sie wird Sie am Montag anrufen und sagen, was mit dem Wagen passieren soll, in Ordnung?«
Steffen bedankte und verabschiedete sich bei dem Automechaniker. Dann legte er auf und starrte mit gerunzelter Stirn auf den Hörer in seiner Hand.
»Er hat drei Radmuttern unter der vorderen Radkappe gefunden. Die vierte Schraube war abgebrochen. Am hinteren Reifen war es ähnlich. Zwei lose Schrauben, zwei abgebrochene.«
Die Erkenntnis, die sich langsam in mir ausbreitete, wollte sich nicht verdrängen lassen. Ich fuhr mit gespreizten Fingern durch mein nasses Haar und ging wieder auf Tauchstation.
Manipulation. Jemand hatte sich an meinem Wagen zu schaffen gemacht. Auch wenn der Käfer ein altes Schätzchen war – die Wahrscheinlichkeit, dass sich so viele Schrauben auf einmal lockern, abfallen und abbrechen, ging gegen null.
Der Gedanke stieß in meinem Gehirn eine Frage nach der anderen an, wie eine Reihe Dominosteine. Eine vielleicht angesägte Leiter, die zum Unfall meines Vaters führte. Der tödliche Sturz Frau Rostlers. Und jetzt die Reifen. Alles, seitdem ich versuchte, den Mörder Peter Prutschiks zu finden. Und immer war da eine Gemeinsamkeit, für die ich bisher blind gewesen war.
»Ina!«
Ich öffnete die Augen und sah Steffens Gesicht durch die Wasseroberfläche hindurch an. In seinem Blick konnte ich die gleichen Gedanken lesen.
Ich schnappte mir ein Handtuch, stand auf und kletterte aus dem Wasser. Meine Füße hinterließen kleine Pfützen auf dem Badezimmerboden und bildeten einen Pfad bis zum Schlafzimmer. Wütend schrubbte ich Arme und Beine trocken, schlüpfte in meine Jeans und zog mir ein T-Shirt an.
»Jemand will mir schaden, Steffen. Mich aufhalten. Fast wäre es ihm gelungen. Aber nur fast.« Die Bürste riss an meinen zerzausten Haaren. Ich spürte es nicht.
»Was willst du tun, Ina?«
»Denjenigen daran hindern, noch mehr Unheil anzurichten.«
»Aber nicht alleine?« Er schnappte seine Jacke und schlüpfte hinein.
»Nein. Warte hier.« Ich war mir schon einmal zu sicher gewesen und hatte damit falschgelegen.
Jan könnte noch leben, wenn ich … Stopp! Ich war nicht an Jans Selbstmord schuld. Er war der Mörder. Er war gesprungen.
Trotzdem. Mir war ich es schuldig – und sonst niemandem. Ich wand ihm die Autoschlüssel aus der Hand, stopfte sie in meine Handtasche und blieb vor Steffen stehen. »Ganz sicher bin ich mir nicht. Erst muss ich etwas überprüfen. Ich melde mich bei dir, sobald ich es weiß.«
»Verdammt, Ina! Musst du dich unbedingt zur Heldin aufschwingen?«
»Nein, nicht zur Heldin. Ich muss mir nur sicher sein,
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