Gemuender Blut
…« Ich drückte den Rücken durch und sah ihm direkt in die Augen. »Ich kenne Herrn Ettelscheid. Er ist ein guter Freund meines Bruders, und ich dachte …«
»Sie dachten, hier auf dem Land nehmen wir es nicht so genau mit den Vorschriften, was?« Die Spitzen von Sauerbiers Schnauzer zuckten wie Stacheln nach oben. »Da muss ich Sie leider enttäuschen, Frau Weinz. Auch wir haben hier Regeln. Herr Ettelscheid kann Ihren Besuch anfordern, aber nicht umgekehrt. Und schon mal gar nicht, bevor wir die Vernehmungen abgeschlossen haben.« Er wuchtete sich aus dem Bürosessel und legte seine Hand auf den Aktenstapel. Er hob die Lider, starrte auf die Akten und schüttelte leicht den Kopf. »Und da wir uns im selben Bundesland wie Köln befinden, vermute ich, dass Ihnen diese Vorschriften nicht fremd sind.«
Ich biss mir auf die Lippen und nickte. So viel zur Ehrlichkeit.
»Ich muss Sie also bitten zu gehen, Frau Weinz.« Er hatte sich aufgerichtet und seinen Bauch an mir vorbeigeschoben und hielt mir die Tür auf. Ich bückte mich nach meiner Tasche und hob sie an. Orange blitzte auf. Meine Finger umschlossen das Papier, und ich schob es in meine Jackentasche. Bei jedem Schritt über den Flur, die Treppe hinunter und über den Parkplatz schien es unter dem Stoff zu knistern. Laut und eindringlich. Im Schutz meines Wagens zerrte ich es ans Licht und las den Namen noch mal. Nun ja. Zumindest war das ein Anfang.
»Warum machst du schon wieder Blödsinn?« Ich hörte den Vorwurf in der Stimme meines Kölner Kollegen, so als ob er neben mir stehen und nicht siebzig Kilometer entfernt in sein Telefon blöken würde. »Sauerbier hat hier angerufen und sich nach dir erkundigt, Ina. Was wolltest du von ihm? Was ist da passiert, und warum hängst du da schon wieder mit drin?«
»Matthias Driesch, jetzt hol mal Luft und schweig stille!« Ich sah auf meine Uhr. »Es ist drei Uhr nachmittags, und du bist schon auf hundertachtzig. Wo warst du überhaupt? Ich habe den ganzen Vormittag versucht, dich zu erreichen.«
»Ich musste die Laborbefunde auswerten und da …« Er unterbrach sich. »Das kann dir doch egal sein. Du bist beurlaubt, Ina. Schon vergessen?« Es klirrte im Hintergrund. Ich schmunzelte und konnte ihn vor mir sehen, wie er aufstand, zu dem Regal über der Kaffeemaschine ging und mit dem Finger langsam über die Reihe der bunten Keramiktassen strich, bei der letzten kurz zögerte und dann zu der auserwählten zurückkehrte.
»Die mit den Hasenohren?«, fragte ich ihn.
»Nein, Vera hat mir eine neue gebracht. Du kennst sie noch nicht. Mit Tulpen und Narzissen. Sehr hübsch.«
Ich hörte, wie der Kaffee in die Tasse lief. Matthias räusperte sich.
»Du hast mich aber nicht angerufen, um mit mir über meine Schwester und ihre neuesten Tassenkreationen zu sprechen, oder?«
»Nein, ich will dich um Hilfe bitten.«
»Wenn es nichts mit Mord und Totschlag, Verbrechen und sonstigen Nettigkeiten zu tun hat, bin ich dir gerne und jederzeit zu Diensten. Sollte es aber ansatzweise etwas mit den zuvorderst genannten Themenbereichen zu tun haben, such dir bitte einen anderen Ansprechpartner.« Er atmete in den Hörer.
»Mattes, kannst du bitte jemanden für mich überprüfen?«
»Deine neue Friseurin? Hat sie dir deinen Blondschopf mit rosa Farbe ruiniert?«
»Nein, Peter Prutschik, Professor für Forstwirtschaft an der Gemünder Forsthochschule Nationalpark Eifel.«
»Er ist tot. Opfer eines Mordes geworden. Stand heute Morgen im Ticker.«
»Das weiß ich.«
»Das genügt auch.« Ich hörte wieder sein lautes Atmen. »Es sei denn, du hättest ein berufliches Interesse an ihm, was aber nicht sein kann, da du ja beurlaubt …«
»Ein Freund meines Bruders ist unter Mordverdacht verhaftet worden.« Von der speziellen Art meiner persönlichen Bekanntschaft zu Steffen schwieg ich lieber.
»Das ist nicht schön für ihn.«
»Mattes, bitte!«
Er schwieg.
»Ich will ihm helfen. Keine Ermittlungen. Nur mal sehen, ob sich was ergibt.«
Im Hörer rauschte es.
»Mattes?«
»Ja.«
Ich seufzte.
»Ich bin in die Eifel gegangen, um zu überlegen, wie es weitergeht mit mir. Auch beruflich.«
»Hast du eine Entscheidung gefällt?«
»Ich habe mich auf den Weg gemacht.«
»Gut.«
»Vielleicht kann ich es ja auf diese Weise herausfinden.«
»Oder dich endgültig aus dem Spiel kicken, Ina. Eine Dienstaufsichtsbeschwerde ist kein Pappenstiel!«
»Ich weiß, Mattes.« Noch einmal würde ich nicht betteln. »Wenn du mir
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