Gene sind kein Schicksal
Vertragslabor in China ausführen lässt. Anschließend erhalten die Kunden ein silbernes Kästlein mit einen USB -Stick: Auf dem ist die Sequenz des Erbguts gespeichert.
Der amerikanische Schriftsteller Richard Powers hat diese Dienstleistung in Anspruch genommen. Powers findet Genetik spannend und hat sogar einen Roman geschrieben, der auf einem Glücksgen basiert. [9] Deshalb war der Autor gleich interessiert und schließlich auch einverstanden, als ihm die Zeitschrift
GQ
anbot, sein Erbgut Baustein für Baustein entziffern zu lassen und darüber zu schreiben. Doch kaum erhielt Powers erste Informationen zu seinem Genom, kam er an Ungereimtheiten und Widersprüchen gar nicht mehr vorbei. Auf seinem Erbgut finden sich zum Beispiel mehr als ein Dutzend genetischer Assoziationen, die angeblich die Wahrscheinlichkeit für Fettleibigkeit erhöhen. Richard Powers wundert sich: »Mein ganzes Leben lang habe ich einen Body-Mass-Index von um die 19 gehabt, gerade an der Grenze zum Untergewicht, und ich kann essen, so viel ich will, und werde trotzdem nicht dick. In meiner Familie haben sie mich immer das Strichmännchen genannt. Offenbar steckt die Untersuchung der Rolle von Umwelteinflüssen noch ganz in den Anfängen.« [10]
Was die Aussagekraft der Gene angeht, tun sich zwischen der Vision im Zukunftsthriller
Gattaca
und den biologischen Fakten himmelweite Unterschiede auf. Das Schicksal steht nicht in den Sternen, aber eben auch nicht in den Genen. Das hat Craig Venter ebenfalls erfahren, jener amerikanische Biochemiker und Unternehmer, der sein Erbgut sozusagen im Selbstversuch entziffert hat. Manche Experten lesen aus Venters Erbgut ein
erhöhtes
Risiko für »asoziales Verhalten« heraus, weil er eine bestimmte Variante des Monoaminoxidase-Gens trägt. Andere Genetiker freilich deuten den Befund ganz anders: Demnach
senkt
das Gen das Risiko für asoziales Verhalten.
Analysen des Erbguts sind so aussagekräftig wie Kristallkugeln zum Wahrsagen. Kritische Genetiker haben das Erbgut von fünf Individuen an die kalifornischen Gentest-Firmen 23 andMe und Navigenics geschickt und die jeweiligen Ergebnisse verglichen. [11] Obwohl die Proben jeweils von ein und derselben Person stammen, ergaben die Gentests häufig völlig unterschiedliche Risiken: Nicht einmal zur Hälfte stimmten die Vorhersagen für sieben der insgesamt 13 untersuchten Erkrankungen überein. Beim Risiko für Schuppenflechte waren die Abweichungen besonders eklatant: Eine der Testpersonen bekam von der Firma 23 andMe ein relatives Risiko von 4 , 02 bescheinigt, während Navigenics einen Wert von 1 , 25 ermittelte – ein mehr als dreifacher Unterschied!
Da verwundert es kaum, dass manche der Genjäger die eigenen Befunde für sich selbst gar nicht gelten lassen wollen. Ein Gen für Einfühlungsvermögen will die Psychologin Sarina Rodrigues von der Oregon State University in Corvallis entdeckt haben. [12] Sie hat 200 Studentinnen und Studenten Fotos von Gesichtern vorgelegt und sie gebeten, jeweils den Gemütszustand zu lesen. Dies ist ein psychologischer Test, um das Einfühlungsvermögen zu messen. Des Weiteren ließ Rodrigues die Testpersonen Fragebögen ausfüllen. Schließlich wertete sie alle Daten aus und legte fest, welche der 200 Teilnehmer sich gut in andere hineinversetzen konnten, also empathisch waren, und welche eher als kaltherzig gelten konnten.
Sodann untersuchte Rodrigues das Erbgut der Probanden. Es gibt demnach zwischen den Gruppen genetische Unterschiede im Stoffwechsel des körpereigenen Hormons Oxytocin. Das ist der Stoff, der für gute Stimmung sorgt und soziale Beziehungen regelt. Wenn eine Mutter ihr Baby schreien hört, dann schüttet sie Oxytocin aus. Das führt zum Milcheinschuss und flutet ein Gefühl der Wonne durch die stillende Frau. Zudem spielt Oxytocin eine Rolle für die großen Gefühle wie Liebe, Vertrauen und Gelassenheit. Die wohlige Wirkung wird über den Oxytocin-Rezeptor vermittelt – und dieses Gen war es, das die Psychologin Rodrigues untersucht hat. Das Gen kommt in der Bevölkerung in drei Kombinationen vor – AA , AG oder GG –, und Rodrigues wollte wissen, ob die jeweiligen Varianten mit dem Einfühlungsvermögen und der Kaltherzigkeit der Testpersonen zusammenhingen.
Generell waren die weiblichen Testpersonen einfühlsamer als die männlichen, aber auch Unterschiede in der erblichen Rezeptor-Ausstattung spielen Rodrigues zufolge eine Rolle. Man habe bei den Frauen wie auch bei den
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