Generation Wodka
Allerdings: Aus der Erfahrung unserer praktischen Arbeit und dem, was verschiedene aktuelle Studien zum Alkoholkonsum Jugendlicher aufzeigen, kann ich definitiv sagen: Es gibt Dinge im Trinkverhalten von Jugendlichen, die sich in den letzten Jahren deutlich verändert haben. Insgesamt sind es zwar nicht unbedingt mehr Jugendliche, die heute groÃe Mengen Alkohol konsumieren. Es gibt allerdings eine groÃe Gruppe von Jugendlichen, die exzessiver und vorsätzlicher trinkt als je zuvor. Der Rauschzustand ist schneller erreicht, weil häufiger Hochprozentiges im Spiel ist. Jugendliche merken oftmals kaum, wie schnell ihr Pegel steigt. Mädchen sind am Trinken umfangreicher aktiv beteiligt, seit Alkopops und andere Mischgetränke dem Alkoholkonsum eine neue geschmackliche Note verliehen haben. Gerade hier zeigen sich ganz offensichtlich die Auswirkungen von aufwendiger, aber effektiver Imagewerbung von Alkoholherstellern.
Was ich zudem als Entwicklung im Alkoholkonsum von Jugendlichen feststelle â zumindest gilt das für Jugendliche im sozialen Milieu unserer Arbeit â, ist, dass Eltern beziehungsweise das familiäre Umfeld sich heute oftmals viel weniger regulierend in das Trinkverhalten ihrer Kinder einmischen.
Nicht selten begegnen wir einer erschreckend unkritischen Haltung von Eltern, was den Alkoholkonsum ihrer Teenager angeht.
Andere Eltern lassen zwar eine kritische Meinung erkennen, erscheinen aber deutlich überfordert damit, ihren Kindern ernsthaft Hilfreiches zum ausgewogenen Umgang mit Alkohol zu vermitteln und/oder verbindliche Grenzen mit ihnen zu vereinbaren.
Was muss man aus Sicht eines Pädagogen tun, damit Kinder und Jugendliche besser vor Alkoholmissbrauch geschützt werden?
Der gröÃte Fortschritt wird zu erzielen sein, wenn man die Problematik von verschiedenen Seiten gleichzeitig anpackt. Experten nennen das âpolicy mixâ. Sicher lässt sich in der präventiven Arbeit mit Jugendlichen zum Thema Alkoholkonsum noch manches verbessern, sei es als Bestandteil schulischer Lerninhalte oder auch im Rahmen auÃerschulischer Bildung, also beispielsweise in Jugendfreizeiteinrichtungen. Ich weià allerdings, dass in dieser Hinsicht auch bereits viel Sinnvolles unternommen wird, um Jugendliche zu informieren und zu einem reflektierten Umgang mit Alkohol anzuleiten.
Als wesentliche und effektive Ergänzung solcher Präventionsarbeit sollte sich nach meiner Einschätzung jedoch unbedingt auch einiges an unseren gesamtgesellschaftlichen Rahmenbedingungen im Umgang mit Alkohol verändern. Flatrate- und Discount-Partys sollten generell untersagt werden. Diese animieren Jugendliche förmlich dazu, jedes Maà zu verlieren und eigene Grenzen zu überschreiten. Generell spricht viel dafür, die Preise für Alkohol im Allgemeinen anzuheben. âKomasaufen ist billiger als die Karte für ein FuÃballspielâ â so die plakative Expertenaussage in einem Interview, das ich kürzlich las. Höhere Verkaufspreise würden sicher zu einem bewussteren Konsumverhalten von Jugendlichen beitragen und Alkohol in eine bessere Relation zu anderen Dingen setzen, für die Jugendliche ihr Geld ausgeben.
Zudem halte ich es für sinnvoll, die Verfügbarkeit von Alkohol einzuschränken. Jugendliche, so wie ich sie aus unserer Arbeit kenne, halten Alkohol in den seltensten Fällen vorrätig. Meistens wird spontan eingekauft. Durch erweiterte Ladenöffnungszeiten bietet sich dazu inzwischen reichlich Gelegenheit. Das lieÃe sich eindämmen, indem Alkohol nicht überall und auch nicht zu jeder Tages- und Nachtzeit zum Verkauf steht.
Muss man die Gesetze verschärfen?
Ich halte die bestehenden Altersgrenzen für Alkoholkonsum prinzipiell für sinnvoll und ausreichend. Wichtiger erscheint mir, noch durchgängiger sicherzustellen, dass diese Altersgrenzen beim Verkauf von Alkohol auch wirklich flächendeckend eingehalten werden. Nach allem, was ich im Alltag von Jugendlichen höre, die unsere Einrichtung besuchen, gibt es da doch nach wie vor viele âSchlupflöcherâ.
Zunächst braucht es mehr bzw. strengere Alterskontrollen. Es ist schon immer wieder frappierend, was man teilweise an Szenen und Situationen mit alkoholisierten Jugendlichen erleben kann, sei es auf den Berliner StraÃen oder auch im öffentlichen Nahverkehr. Sicher sind Verbote und Kontrollen kein Allheilmittel. Dennoch kann es auch
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