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Generation Wodka

Generation Wodka

Titel: Generation Wodka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Mockler , Wolfgang Büscher , Bernd Siggelkow
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Krankenhäuser haben schon bis zu 200 Kinder und Jugendliche an jedem dieser Tage aufnehmen müssen, fast alle sturzbesoffen und manche zusätzlich mit Verletzungen.
    Ein Mediziner sagt: „Die sind kaum ansprechbar, lallen oder krakeelen und übergeben sich, wenn sie bei uns ankommen. Das ist manchmal ein ekliger Job.“
    Die ersten Kinder werden schon vor 11:00 Uhr morgens eingeliefert. Die haben sich in den vorangegangenen zwei Stunden einer „Druckbetankung“ unterzogen, wie es so schön heißt. Oft haben sie dabei einen Alkoholspiegel von weit über zwei Promille. Wohlgemerkt, am frühen Morgen. Und das geht dann den ganzen Tag über weiter. Auf dem Flur der Notfallambulanz werden in dieser Zeit Feldbetten mit Einmaldecken aufgestellt. Natürlich dürfen die Brechschalen nicht fehlen. Die Bewusstlosen, so ein Mediziner, kommen gleich auf die Intensivstation. Die erreichen manchmal fast drei Promille.
    Spitzenreiterin war eine 19-jährige Jugendliche in einem Kölner Krankenhaus, die mit 4 Promille eingeliefert wurde. „Die musste sogar vom Notarzt künstlich beatmet werden“, so ein Kölner Arzt. Das war an Silvester.
    Natürlich tragen Silvester und der Karneval nicht die Schuld am Verhalten der jungen Menschen. Weitere Schlüsseltage wie Halloween, der 1. Mai und natürlich regionale Veranstaltungen wie Schützenfeste, Kirchweihfeste und das Oktoberfest, das es mittlerweile ja in vielen deutschen Großstädten gibt, sind ebenfalls Gelegenheiten, bei denen bis zu 80 Kinder und Jugendliche mit einer Alkoholvergiftung in die örtlichen Krankenhäuser eingeliefert werden. Hinzu kommen die ganz normalen Wochenenden. Hier müssen die Ärzte in den Ballungszentren bis zu 15 Kinder pro Wochenende behandeln. In den Kliniken merkt man sogar, wenn die Schulferien beginnen. Auch dann steigt die Zahl der Komatrinker deutlich an.
    Betroffen sind vor allem die Kliniken in den Großstädten, inzwischen dort sogar die Kinderkrankenhäuser, die zunehmend mit dem Problem der Alkoholvergiftungen konfrontiert werden. Viele der Ärzte sind erschüttert. Sie haben es oft mit Kindern zu tun, die nicht älter als 12 oder 13 sind. Die sind mit 1,2 bis 1,8 Promille einfach umgefallen. Die etwas älteren Jugendlichen, 15 bis 17 Jahre alt, sind oft schon sogenannte Wiederholungstäter, die mehr als zwei Promille aufweisen.
    Die Zahl der jugendlichen Komatrinker steigt immer weiter an. Das sehen zumindest die Mediziner in den Notaufnahmen so. Und die Kinder, die in die Krankenhäuser eingeliefert werden, sind nur die Spitze des Eisbergs. Diejenigen, die Glück hatten und rechtzeitig von ihren Freunden nach Hause geschleppt werden, fallen ja überhaupt nicht auf.
Suff als Jugendkultur
    Diese Art von Saufgelagen findet fast immer in größeren Gruppen statt. Kaum einer der jungen Menschen betrinkt sich allein zu Hause in seinem Kinderzimmer. Das Komasaufen ist inzwischen bei einem Teil unserer Kids so etwas wie eine eigene Kultur geworden. Es gehört zur Normalität.
    Die Mediziner in Deutschland warnen vor allem vor den süßen Mixgetränken. In diesem Mix sind die harten Sachen versteckt, und man bekommt überhaupt nicht mit, was man tatsächlich in sich hineinschüttet. Die Mixgetränke mit hohem Alkoholgehalt sind also tatsächlich lebensbedrohliche Drogen, die in der öffentlichen Wahrnehmung aber überhaupt nicht als solche behandelt werden.
    Auch das „Vorglühen“, das Trinken auf dem Weg zu einer Party, gehört inzwischen zur Jugendkultur. Man trinkt bei irgendwem zu Hause schon mal vor, um Spaß zu haben, um schneller gut drauf zu sein und auch, um Geld zu sparen – denn im Supermarkt sind die Getränke natürlich preiswerter als in einem Klub.
    Aber natürlich trinken auch viele unserer Kinder, um eine innere Leere zu überbrücken. Es sind häufig junge Menschen, denen Lebensinhalte und Ziele fehlen, mit denen sie sich identifizieren können. Natürlich sind auch pädagogische Defizite und fehlende familiäre Bindung ein Grund, zur Flasche zu greifen.
    Es gibt inzwischen auch schon eine Verwöhnungs-Verwahrlosung: In vielen Gymnasien wird inzwischen mehr gesoffen als in Hauptschulen.
    Unsere Befragung zahlreicher Ärzte und Drogenberater hat gezeigt: Bis ins Koma betrinken sich viele der jungen Menschen nicht unbedingt mit Absicht. Oft sind das einfach nur Unfälle.

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