Generation Wodka
er dem Unterricht folgt, ist die Sache für ihn gelaufen. Was er einmal in seinem Kopf hat, bleibt dort fest verankert. Zumindest ist Johannes dieser Auffassung. Sein Notendurchschnitt liegt irgendwo zwischen 1 und 2 und das reicht Johannes vollkommen aus.
Johannes ist 16 Jahre alt und seine blonde Mähne fällt ihm bis auf die Schultern. Er trägt gern modische Klamotten und hat sich gerade gegen den Willen seiner Eltern ein Piercing stechen lassen, unterhalb des Mundes. Darauf ist er sehr stolz, scheint es doch seine absolute Unabhängigkeit zu beweisen.
Vor einem Jahr hat Johannes ein Mädchen kennengelernt, mit dem er seit dieser Zeit fest zusammen ist. Obwohl seine Freundin âdie zweitgröÃte Nervensäge des Mittleren Orientsâ ist, wie einige seiner Freunde behaupten, ist er doch sehr glücklich mit ihr.
Johannes ist übrigens ein begnadetes FuÃballtalent, er hat lange in der Jugendabteilung eines FuÃball-Bundesligisten gespielt, aber sein Ehrgeiz hat dann doch nicht gereicht, um die groÃe Karriere auf dem grünen Rasen zu machen. Er war immer und ist auch heute noch trainingsfaul. Und anders als in der Schule kommt man ohne fleiÃiges Ãben und ohne hartes Training im FuÃball nicht weiter. In seiner Schule ist er im Sport der Beste, und vor allem ist er der Star der FuÃballschulmannschaft.
Das Problem dieses klugen und begabten Jugendlichen liegt auf der Ebene der Selbsteinschätzung: Johannes hält sich bis heute für etwas ganz Besonderes. Manchmal vergleicht er sich mit einem über die Grenzen von Deutschland hinaus bekannten FuÃballstar. Angesichts dessen, was er bislang erreicht hat, wirkt das fast schon ein bisschen gröÃenwahnsinnig. Seine FuÃballerkarriere war beendet, bevor sie richtig beginnen konnte, und auch einen Schulabschluss kann Johannes noch nicht vorweisen. Bis zum Abitur sind es immerhin noch zwei Jahre.
Mit Kritik kann der junge Mann einfach nicht umgehen. Immer, wenn die Welt ihn nicht lieb hat, so sieht es Johannes, dann setzt er sich in seinen Lieblingssessel, ein Erbstück von seinem Opa, und verschlieÃt fest die Augen, damit er das Elend nicht sehen muss. âAuf jeden Fall fühle ich mich dann immer ganz mies und alles tut mir wehâ, so hat er es seiner Freundin einmal beschrieben.
Gerade jetzt durchleidet Johannes wieder eine dieser Phasen von Weltschmerz. Ein früherer Freund, ein Jahr älter als er, mit dem er einige Jahre zusammen in einer Mannschaft FuÃball spielte, hat es vielleicht geschafft: Er spielt in der Jugendnationalmannschaft und die groÃen FuÃballvereine sind an ihm interessiert. âUnd ich war wirklich immer besser und auch talentierter als er! Wenn er in der Bundesliga Millionen verdient, sitze ich vielleicht noch in der Schule herum und lerne, bis ich hundert Jahre alt binâ, grübelt Johannes.
Aber diese Phasen sind auch schnell wieder vorbei. Dann ist er wieder obenauf und kann Bäume ausreiÃen.
Nur eines ist heute anders: Nach dem Austritt aus seinem FuÃballverein lernte Johannes Freunde kennen, die anderen Hobbys nachgingen, als er es bisher kannte. Johannes begann, regelmäÃig zu trinken.
***
Es fing ganz harmlos an: Freunde schenkten ihm eine Flasche Wodka, die er mit âirgendeinem süÃen Zeugâ mischte. Dann setzte er die Flasche an und leerte sie zur Hälfte. Danach musste er sich zwar übergeben, gehörte aber von diesem Tag an fest zu einer Clique, die sich ein- bis zweimal die Woche sinnlos betrank. Nach diesen Exzessen fühlt Johannes sich in der Regel total mies und alles tut ihm weh. Seit dieser Zeit machen ihn auch Dinge fertig, über die er früher nur lächeln konnte.
Körperlich ist er in einem schlechten Zustand, zum ersten Mal wurde er sogar durch den Trainer nach der Halbzeit seiner Schulmannschaft ausgewechselt. Das war noch nie vorgekommen. Schon während seiner Zeit im FuÃballverein hatte er heimlich geraucht. Jetzt ist es mehr als eine Schachtel am Tag â und das immerhin seit rund drei Jahren. Seine Kondition lässt immer mehr nach.
Auch das regelmäÃige Trinken setzt ihm zu, obwohl er das vor sich und seinen Freunden nie zugeben würde. Seine Freundin kann ihm da nicht helfen. Sie trinkt noch mehr als er, und das auch schon, seit er mit ihr zusammen ist. Eigentlich war sie auch der Grund, warum jetzt mit dem FuÃball Schluss ist. Sie wollte ihn um sich haben,
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