Genesis. Die verlorene Schöpfung (German Edition)
Auf ihre Forschungsarbeit würde sie auf diesem Weg natürlich keinen Zugriff haben.
134 Nachrichten in weniger als einem halben Tag. Und das trotz ihres Assistenten, der zuvor bereits Hunderte unwichtige Nachrichten gelöscht oder umgeleitet hatte. Journalisten, die Interviews wollten, weitläufige Kollegen, die noch nicht mitbekommen hatten, dass sie den begehrten Lehrstuhl ausgeschlagen hatte und zwei Verlage, die bereits Biographien über sie produzieren wollten. Nichts, was eine persönliche Antwort wert war. Eine Nachricht von Pierre, über die sie sich gefreut hätte, war bedauerlicherweise nicht dabei.
Anna aktivierte einen Unterhaltungskanal und mit einer Wischbewegung auch die Lautsprecher im Taxi. Ein bekanntes Lied der aktuellen Charts ging gerade zu Ende. Der Musik folgten die Nachrichten.
»Top News aus Paris. An der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Sorbonne sind heute drei Personen festgenommen worden. Den renommierten Forschern wird die Bildung einer terroristischen Vereinigung und versuchter Mord vorgeworfen. Die internationale Aitair-Terrorgruppe versucht seit Jahren, den Start der Horizon, des ersten Raumschiffes aus dem SAOIRSE-Programm, zu sabotieren. Inzwischen schrecke die Gruppe auch nicht mehr davor zurück, Menschenleben zu gefährden, so ein Sprecher der Pariser Staatsanwaltschaft, der sich gegenüber den Medien über diese neue Qualität der Gewalt sichtlich besorgt zeigte.«
An der Sorbonne? Unglaublich, was mit den Jahren aus einer friedlichen Bewegung für mehr bürgerliche Eigenverantwortung geworden war. Aitair war inzwischen der Inbegriff des modernen Terrorismus. Unsichtbar, angepasst und tödlich effizient - wobei noch kein Aitair-Terrorist jemals eine Waffe in die Hand genommen hatte. Sie kämpften ausschließlich mit den Waffen moderner Informationstechnologien und hatten in den letzten Jahren die verheerendsten militärischen Computer Viren aller Zeiten entwickelt.
»Wir verlassen den Stream in 30 Sekunden ... bitte sichern Sie das Wasserglas in dem dafür geöffneten Fach«, warnte sie der Taxifahrer kurz vor dem Austritt aus dem Stream. Anna tat wie ihr geheißen, eine Klappe verschloss das leere Glas umgehend. Das Fahrzeug erzitterte, sie spürte die drastische Verzögerung. Draußen konnte man jetzt wieder den blauen Himmel erkennen, während das Taxi mit noch über 700 Km/h auf die Altstadt von Valletta zustürzte und sich erst 50 - 60 Meter über dem Meer stabilisierte. Eigentlich ein Wunder, dass man in den Nachrichten nie etwas über Taxi-Unfälle hörte.
»St Julians, ein schönes Fleckchen, wir werden in zwei Minuten da sein«, erklärte der Taxi Fahrer, während sich die Limousine weiter senkte und die letzten Meter in Schrittgeschwindigkeit dicht über den schmalen Altstadtgassen schwebte.
Anna liebte es, barfuß über den glatten Asphalt zu laufen. Ihre Schuhe hielt sie dabei in der Hand. Zumindest im Frühling, im Hochsommer würde sie das nicht mehr tun. Mit einem Lächeln drückte sie das geschmiedete Eisentor auf, zupfte ihr Sommerkleid zurecht und sah an der zweigeschossigen Sandsteinfassade herauf. Die dunkelgrünen Fensterläden waren frisch gestrichen. In diesem Haus hatte sie ihre Kindheit verbracht, was binnen eines Augenblickes unzählige alte Erinnerungen hervorbrachte. Schöne Erinnerungen, an Sonne, das Salz im Meer und ihre Mutter.
Die Tür öffnete sich. »HAYLEE!«, rief Anna hysterisch und sprang ihrem alten Kindermädchen entgegen. Nachdem sie aus dem Haus war und ihr Vater in Brüssel Karriere machte, war Haylee weiterhin hier wohnen geblieben. Sie sorgte für das Anwesen und war sicherlich die einzige Hausangestellte in dieser schicken Gegend, die nicht mehr im Haus arbeiten musste. Mit 74 hatte sie zwar noch acht Jahre bis zur gesetzlichen Rente, was aber nichts daran änderte, was sie früher für Anna und ihren Vater geleistet hatte.
»Anna, ich freue mich so, dich zu sehen!«, sagte Haylee mit einem Zittern in der Stimme und schloss sie in die Arme. »Dein Vater sitzt im Arbeitszimmer.«
»Da sitzt er gut. Komm, lass uns etwas trinken und erzähle mir, wie es dir ergangen ist«, sagte Anna, für ihren Vater würde sie noch den ganzen Abend Zeit haben. Zudem hatte sie in ihrer Kindheit die Tür zu seinem Arbeitszimmer stets für die Pforte zur Hölle gehalten.
»Du siehst gut aus. Wie hast du das gemacht? Hast du etwa einen neuen Freund?«, fragte Anna keck. Beide gingen in die Küche, in der ihnen ein jüngeres
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